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Fokus: Ist der Mensch böse?

«Jeder hat positive Eigenschaften»

von Aufgezeichnet von Tilmann Zuber
min
08.04.2025
Fokus: Ist der Mensch böse? Antwort von Anja Meier, Pädagogin Pro Juventute.

Pro Juventute ist überzeugt, dass jeder Mensch von Natur aus positive Eigenschaften besitzt und ein Grundbedürfnis nach Sicherheit, Zugehörigkeit und Anerkennung hat. Menschen werden nicht als gut oder böse geboren, sondern durch Beziehungen und Erfahrungen geprägt. Damit Kinder und Jugendliche gesund aufwachsen und ein Werteverständnis entwickeln können, benötigen sie Orientierung und Vorbilder. Diese bieten Halt und helfen, einen moralischen Kompass zu entwickeln.

Problematisches und herausforderndes Verhalten ist keine Böswilligkeit, sondern Ausdruck von Unsicherheit, Stress und Belastung.

Im heutigen gesellschaftlichen Kontext mit seinen vielen Krisen ist dies gerade für Kinder und Jugendliche ein grosses Thema.

Kinder entwickeln bereits im Vorschulalter ein gewisses Verständnis für Gut und Böse, vor allem durch soziale Erfahrungen und Beobachtungen. Ein klassisches Beispiel ist das Teilen. Kinder merken, wenn jemand benachteiligt wird, etwa bei Süssigkeiten oder Spielzeug, und äussern den Wunsch nach Gleichbehandlung. Dies zeigt ihren angeborenen Gerechtigkeitssinn. Moralisches Lernen ist ein fortlaufender Prozess. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder Unterstützung und einen moralischen Kompass erhalten und lernen, mit Frustration umzugehen. Sie brauchen Zeit, um Erfahrungen zu machen und soziale Regeln zu verinnerlichen.

Die Erziehung passt sich der Gesellschaft an. Heute nimmt man Kinder stärker als eigenständige Persönlichkeiten wahr und nimmt ihre Bedürfnisse und ihre Gefühle tendenziell ernster. Eltern setzen eher auf Dialog und emotionale Nähe statt auf autoritären Erziehungsstil. Heute macht der Leistungsdruck den Kindern und Jugendlichen zu schaffen.

Unsere Leistungsgesellschaft übt Druck auf Eltern und Kinder aus, die heute weniger Freiräume haben. Kinder brauchen nicht grenzenlose Freiheit, sondern Freiheit in Grenzen.

Eltern vermitteln Werte am wirksamsten, indem sie diese vorleben. Kinder orientieren sich stark am Verhalten ihrer Eltern, daran, wie diese Respekt, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeit und Verantwortungsbewusstsein leben. Eltern sollten sich dessen bewusst sein, dass Kinder ein feines Gespür haben und dass ihr Verhalten nachhaltiger wirkt als Worte. Und Kinder brauchen Erklärungen, warum Werte wichtig sind.

Die Erziehung hängt von den Überzeugungen der Eltern ab. Die Gesellschaft hat sich verändert, und die Wertevermittlung muss zu den jeweiligen Eltern passen. Neben den Eltern sind das soziale Umfeld, Schulen, Vereine und gesellschaftliche Diskussionen wichtig für die moralische Entwicklung der Kinder. Nicht umsonst lautet ein afrikanisches Sprichwort: «Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind grosszuziehen.» Früher stigmatisierte man ganze Bevölkerungsgruppen und verband Armut mit Versagen und Verwahrlosung. Heute sieht man Armut differenzierter und strukturell. Die Chancengerechtigkeit für Kinder ist auch 2025 ein Thema. Familien, die von Armut betroffen sind, Familien mit Migrationshintergrund oder aus sozial benachteiligten Milieus können auch heute nicht in gleicher Weise an der Gesellschaft teilhaben.

Eine gute Beziehung zu den Eltern schützt Kinder und Jugendliche vor psychischen Belastungen. Eltern sollten die Resilienz, die Widerstandskraft, ihrer Kinder fördern, indem sie ihnen helfen, Ausdauer und Frustrationstoleranz zu entwickeln. Kinder brauchen gute Beziehungen, das Gefühl, dass Eltern sich für sie interessieren, und eine gute Fehlerkultur. Kinder sollten verstehen, dass Fehler erlaubt sind und es wichtig ist, es wieder zu versuchen. Eltern sollten ihre Kinder stärken, indem sie ihnen ermöglichen, eigene Lösungen zu finden und Neues zu wagen.

 

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