Kirchenentwidmung vor Verwaltungsgericht
Das Kirchenzentrum Johannes soll entwidmet werden, damit die Gesamtkirchgemeinde Thun Verhandlungen mit Interessenten an den Gebäuden aufnehmen kann: Das entschied im vergangenen September der Grosse Kirchenrat – das Parlament – der Gesamtkirchgemeinde. Der Antrag kam vom Kleinen Kirchenrat.
Dieser Entscheid kommt jetzt vors Gericht. Das Komitee «Pro Johanneskirche» in Thun zieht seine Beschwerde an das Verwaltungsgericht weiter. Bereits im Oktober hatte das Komitee beim Regierungsstatthalter gegen den Entscheid des Grossen Kirchenrates protestiert. Doch diese erste Instanz hatte die Beschwerde Ende Dezember abgewiesen.
Nicht ohne Volksentscheid
Aus Sicht von Oliver Jaggi zu Unrecht. «Wir sind dezidiert der Meinung, dass ohne formellen Verzichtsentscheid der Kirchgemeinde Strättligen keine Kirche in Thun-Strättligen entwidmet beziehungsweise geschlossen werden kann», sagt der Mitinitiator des Komitees und einer Initiative. Denn parallel zum Beschwerdeweg sammelt das Komitee Unterschriften gegen den Entwidmungsbeschluss. Rund 800 sind gemäss Jaggi beisammen, mindestens tausend müssen es bis Ende Mai sein, um Rechtsgültigkeit zu erlangen.
Der Regierungsstatthalter habe die Argumente des Komitees gegen den Entwidmungsbeschluss ungenügend berücksichtigt, findet die initiative Gruppe. Er beziehe sich lediglich auf das Organisationsreglement der Gesamtkirchgemeinde, jenes der Kirchgemeinde Strättligen hingegen lasse er ausser Acht. «Das ist eine einseitige Vorgehensweise», hält das Komitee fest.
Anspruch auf rechtliches Gehör
Zudem sei der Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden. «Wir haben in der Beschwerde insgesamt sechs Beweisanträge gestellt. Der Regierungsstatthalter ist auf keinen einzigen eingetreten», sagt Oliver Jaggi. Ausserdem habe sich der Regierungsstatthalter ungenügend mit der Aufgabe der Gesamtkirchgemeinde auseinandergesetzt, die Kirchgemeinde bei der Erfüllung der innerkirchlichen Aufgaben zu unterstützen.
Das Komitee sieht durch das Vorpreschen von Kleinem und Grossem Kirchgemeinderat die Demokratie ausgehebelt. Denn die Kirchgemeinde selbst hat nicht entschieden, auf das Johanneszentrum zu verzichten. Vielmehr hatten die Gemeindemitglieder in ihrer Versammlung vom 7. Juni einen Verzichtsantrag – notabene auf die Kirche Gwatt und nicht das Zentrum Johannes – zurückgewiesen. Und den Auftrag an den Kirchgemeinderat erteilt, den Verzicht auf ein Kirchenzentrum mit der Gesamtkirchgemeinde zusammen gründlich vorzubereiten.
Was geschieht mit den Veranstaltungen?
Sauer stösst dem Komitee auch auf, dass die Gesamtkirchgemeinde nun ohne rechtsgültigen Entscheid weitermachen will. Das bestätigt Willy Bühler, Präsident des Kleinen Kirchenrates. In einer Ende Dezember gegründeten «Projektgruppe Strättligen» arbeiteten unter der Leitung eines Verwaltungsmitarbeiters je zwei Mitglieder der Verwaltung der Gesamtkirchgemeinde und der Kirchgemeinde Strättligen mit.
Die Gruppe soll klären, wie die Veranstaltungen des Kirchenzentrums – gemäss Komitee sind das über tausend pro Jahr – auf andere Orte «sinnvoll verteilt» werden können. Und sie soll bis Ende 2017 einen Projektplan für die Umsetzung vorlegen.
Im Übrigen sind für Willy Bühler die Begründungen des Regierungsstatthalters «nachvollziehbar und richtig». Denn die Gesamtkirchgemeinde stelle im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten die Räume zur Verfügung, die für die Organisation des Kirchenlebens notwendig seien.
Erster Fall dieser Art
Am Berner Verwaltungsgericht sei das der erste derartige Fall, sagt Hans-Martin Schär, Leiter Kommunikation der Landeskirche Bern-Jura-Solothurn. Und: «Die Frage, wer zuständig ist für einen Entwidmungsentscheid in einer Gesamtkirchgemeinde, ist schwierig zu beurteilen.» Es gehe um ein Eigentum der Gesamtkirchgemeinde, doch die Trägerschaft liege bei der Kirchgemeinde.
Das Gemeindegesetz, das auch für Kirchgemeinden gilt, sei in dieser Sache «relativ karg». Und der ganze Fall entsprechend auslegeabhängig. «Am einfachsten wäre es, die Involvierten würden zusammen entscheiden», sagt Schär. Genau das scheint in Thun zurzeit aber unmöglich.
Marius Schären / reformiert.info / 31. Januar 2017
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
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