Baselland, Basel-Stadt, Luzern, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Uri, Zug
Zukunftsmodell?

Kreative Kirche: Wie zwei Gemeinden ihr Konflager retten

von Carmen Schirm-Gasser
min
30.10.2025
Weil die Pfarrerin krankheitsbedingt früher als geplant das Pfarramt verlässt, stehen zwei Kirchgemeinden vor einem Problem: Wer leitet das Konfirmandenlager? Die Lösung: selber organisieren – und daraus ein mutiges Zukunftsmodell entwickeln.

«Not macht erfinderisch», sagt Yvonne Vogelsanger. Die Gemeindekoordinatorin der Kirchgemeinden Beggingen und Siblingen erzählt, wie die Nachricht von der frühzeitigen Kündigung der Pfarrerin die ganze Planung für das diesjährige Konfirmandenlager durcheinanderwirbelte. Ursprünglich wollte die Pfarrerin bis zum Ende der Legislatur und über ihr offizielles Pensionsalter im Amt bleiben, doch gesundheitliche Gründe machten dies unmöglich. Für Vogelsanger war klar: Ein Lager so kurzfristig abzusagen, kam nicht infrage. «Damit schaffen wir wichtige Erlebnisse und Erinnerungen – und die wollten wir den Jugendlichen nicht nehmen.»

Wir wollen den Jugendlichen zeigen: Kirche bedeutet Gemeinschaft. Zuammenzuhalten, einander zu tragen.

Die 18 Jugendlichen der beiden Kirchgemeinden hatten sich auf das Lager gefreut, und eine Absage hätte ein Loch hinterlassen. Gleichzeitig stellte sich die Frage: Wer übernimmt die theologische Begleitung? «Uns war klar, dass wir nicht einfach eine Pfarrperson finden würden, die spontan Zeit hat», erzählt Vogelsanger. Verschiedene Optionen wurden geprüft – auch die Teilnahme am kantonalen Konfirmandenlager. «Aber mit 18 Jugendlichen sind wir zu gross, um sie einfach einer anderen Gruppe anzuschliessen. Und wir wollten den Jugendlichen nicht das Gefühl geben, dass sie abgeschoben werden.» Also nahm man die Sache selbst in die Hand. Sechs freiwillige Leiterinnen und Leiter erklärten sich bereit, ihre Termine zu verschieben, machten sich spontan frei und brachten zum Teil ihre eigenen Kinder mit. «Das ist ein grosses Geschenk und zeigt, wie stark unsere Gemeinschaft ist», sagt Vogelsanger.

Ein Programm, das Brücken schlägt

Für den theologischen Teil wurde ein unkonventioneller Weg gewählt. «Wir haben uns überlegt, in welche Region wir gehen könnten, und die Pfarrpersonen vor Ort angefragt.» Fündig wurde die Gruppe in Frutigen: Pfarrer Rainer Huber übernahm den geistlichen Input. «Es war fast so, als würden alle Puzzleteile an ihren Platz fallen», erinnert sich Vogelsanger. Die Unterkunft war verfügbar, Huber stimmte zu, und auch von offizieller Seite gab es grünes Licht. So fand das Konfirmandenlager von 12. bis 17. Oktober in ­Frutigen statt. Thema: Brücken schlagen. «Das jüngste Kind ist fünf Jahre alt, die älteste Begleitperson 71. Eine Leiterin lebt mit Multipler Sklerose. Schon allein das bedeutet Brücken zwischen den Generationen», sagt Vogelsanger.

Ein wichtiger Aspekt war zudem die Finanzierung des Lagers: Die Konfirmanden würden alle mittels eines Arbeitseinsatzes ihrer Wahl einen Zustupf von 30 Franken ans Lager beisteuern – sei es durch Rasenmähen bei Nachbarn oder das Backen und Verkaufen von Zöpfen. Die Eltern steuerten einen Beitrag von 300 Franken bei. Die Lagerleitung arbeitete komplett ehrenamtlich. Das Programm war vielfältig: ein Workshop mit dem ehemaligen Extremsportler Steven Mack, der nach einem Unfall erblindete, ein Ausflug ins Haus der Religionen nach Bern, der Besuch des Münsters sowie gemeinsame Freizeitaktivitäten. Handwerklich ging es beim Bau einer Leonardo-Brücke zu. «Wir wollen den Jugendlichen zeigen: Kirche bedeutet Gemeinschaft. Zusammenzuhalten, einander zu tragen und dabei positive Erinnerungen zu schaffen – das ist viel mehr, als viele Jugendliche in diesem Alter oft denken.»

«Kirchenentwicklung an der Basis»

Kirchenrätin Cornelia Busenhart ist beeindruckt: «Der Mangel an Ressourcen regt Kirchenstände an, innovative Ideen zu entwickeln. Dass sich zwei Kirchenstände zusammentun und mit 18 Jugendlichen solidarisch handeln, ist phänomenal und verdient höchsten Respekt. Das ist Kirchenentwicklung an der Basis!»

Sie sieht in diesem Vorgehen ein mögliches Zukunftsmodell: «Die religionspädagogische Unterweisung dem Pfarrer oder der Pfarrerin vor Ort zu übertragen, könnte ein Zukunftsprojekt sein. Für uns als Schaffhauser Kirche passt die Idee der Kirchgemeinden Beggingen-Siblingen sehr gut in unser ‹Mischpult› und unser gemeindeübergreifendes Konzept.» Solche Formen der Zusammenarbeit über die Kantonsgrenzen hinaus könnten sich künftig als wertvoll erweisen.
So ist aus einer Notlage ein Experiment entstanden, das neue Erfahrungen ermöglicht. Für Vogelsanger liegt darin eine grosse Chance: «Es schweisst zusammen, wenn alle mithelfen. Und genau das wollen wir den Jugendlichen mitgeben: dass man im Team ein tolles Erlebnis haben kann.»

 

Unsere Empfehlungen