«Luther nagelte die 95 Prothesen an die Wand»
Frage des Lehrers: «Beschreibe deine Vorstellung vom Himmel.» Antwort des Gymi-Schülers: «Gleiche Welt, nur mit Toten, alles machen, was ich will, den ganzen Tag nur chillen, alles umsonst!» Das ist eine der «witzigsten Schülerantworten», die zwei Spiegel-Online-Redakteurinnen gesammelt und nun als Buch vorgelegt haben. Weitere Kostproben: «Erkläre den Unterschied in der Lehre von Wissenschaft und Kirche zum Thema Entstehung des Menschen.» Antwort aus einer Realschule: «Die Religion sagt, dass Gott uns geschaffen hat, und die Wissenschaft, dass Gott vom Affen abstammt.» Und auf die Frage, was Mose am Berg Sinai von Gott erhalten habe, schreibt ein Fünftklässler: «Die goldene Tafel, wo die zehn Gebote stehen. Aber die Frage ist falsch. Das war nicht Mose sondern Indiahna Dschones.»
Die Religion sei «eine herrliche Fundgrube für Lachnummern und Kalauer», denn ihre Inhalte seien «per se Glaubenssache», schreiben Lena Greiner und Carola Padtberg-Kruse, die Herausgeberinnen des Buches. «Schon die Lehrer können ihre Theorien kaum beweisen.» Im Religionsunterricht gehe es um «Transzendenz statt Fakten.» Gibt es im Religionsunterricht mehr absurde Schülerantworten, weil man sie nicht begründen muss? In der Schule werde Religion nicht als persönlicher Glaube vermittelt, sondern versachlicht, entgegnet Matthias Mittelbach. Der Religionsunterricht vermittle rationale Inhalte: «Man lernt diese Inhalte, diskutiert sie und ordnet sie ein.»
Mittelbach ist Lehrbeauftragter für Praktische Theologie an der Universität Basel und erteilt schulischen Religionsunterricht. Diese Art von Antworten aus dem Buch seien typisch für das Alter der Schülerinnen und Schüler, sagt der Religionspädagoge. Etwa ab dem elften Lebensjahr fielen die Kommentare oft vorwitzig bis provozierend aus. «Die Kinder fangen an, die Dinge zu hinterfragen und ihre eigenen Standpunkte zu suchen.» Mittelbach macht die Erfahrung, dass Schülerinnen und Schüler dann einer eigenen Logik folgen und sich bisweilen Abenteuerliches zusammenreimen.
Falsch, aber clever
Manche ältere Jugendliche glaubten, ihre Überlegenheit zeigen zu müssen, und begegneten den Fragen mit Ironie, erzählt Mittelbach. Als Religionslehrer spreche er sie darauf an. Doch man dürfe sie auf keinen Fall für dumm verkaufen. Er kann die meisten Antworten nachvollziehen, auch diejenige aus einer Berufsfachschule zur Bergpredigt: «Bergpredigt ist, wenn man auf einen Berg geht und predigt. Dann ist man auch Gott näher.» «Er oder sie hat keine Ahnung, was die Bergpredigt ist, bringt aber eine clevere Definition», findet Mittelbach.
Als Klassiker bezeichnet der Theologe die Verwechslung von Adam und Eva mit Maria und Josef. Die Schüler hätten die Geschichten gehört, könnten sich aber nicht mehr so genau erinnern, wo die Paare hingehörten und was es mit der Herberge auf sich habe. Heraus kommen Antworten wie diese: «Adam und Eva auf der Suche nach einer Jugendherberge.» Zur gleichen Kategorie zählt Mittelbach folgende Beschreibung: «Jesus war gegen Ehebruch, denn wenn man dabei erwischt wurde, dann wurde nur die Frau bestraft. Das fand Jesus ungerecht.» Auch hier sei die Geschichte bekannt, die falsche Logik führe jedoch zu einer lustigen Verknüpfung.
Bei den jüngeren Kindern hingen die Antworten oft mit dem Erwerb der Sprache zusammen, erklärt Mittelbach. Ein Beispiel aus einer ersten Grundschulklasse: «Schade, dass Jesus Christoph gar nicht mehr mitkriegt, dass wir Weihnachten feiern.» Ein falsch gehörtes Wort wie «Christoph» statt «Christus» wirkt unfreiwillig komisch. Auch dass Fremdwörter Glückssache sind, zeigt sich einmal mehr, wenn Luther wahlweise die 95 Prothesen oder Irokesen an die Wand nagelt, oder bei folgenden Antworten: «Wer war Jesus? Jesus war ein Mehrtürer.»; «Was ist ein Märtyrer? Ein Auto mit vielen Türen.».
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Alle zitierten Schülerantworten stammen aus dem Buch von Lena Greiner und Carola Padtberg-Kruse: «Nenne drei Nadelbäume: Tanne, Fichte, Oberkiefer. Die witzigsten Schülerantworten», Ullstein, Berlin 2015
Zum Bild: «Adam und Eva auf der Suche nach einer Jugendherberge.» Bei solchen Schülerantworten fliessen die Tränen: bei den Lehrern aus Verzweiflung, bei den Lesern vor Lachen.
Karin Müller / Kirchenbote / 1. Oktober 2015
«Luther nagelte die 95 Prothesen an die Wand»