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«Meine Freunde sind heute meine Familie»

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01.01.2016
Flüchtlingstag: Eine Integrationsgeschichte. Tekle Haile stammt aus Eritrea. Heute ist er Mesmer in Schaffhausen und baut Solarkocher. Mit diesen will er seiner alten Heimat helfen.

Am 2. Mai, als sintflutartiger Regen das Schaffhauser Tierheim Buchbrunnen überflutete, läutete auch bei Tekle Haile das Telefon. Der Pfarrer bat seinen Mesmer um Hilfe: Wasser und Schlamm drangen unaufhaltsam in den Keller des Kirchgemeindezent­rums. Gemeinsam schaufelten und pumpten sie Wasser ab, um grösseren Schaden abzuwenden.
Im gleichen Keller hat Tekle Haile seine Werkstatt. Dort baut der Eritreer seit bald zwei Jahren Solarkocher. Mit dieser Technologie will er den Menschen in seiner alten Heimat helfen. Der «Afropa-Verein für Solarenergie­nutzung» unterstützt sein Vorhaben.
Tekle Haile flüchtete 1984 aus Eritrea. Auf Seiten der Rebellen habe er für Eritreas Unabhängigkeit von Äthiopien gekämpft, erzählt er. Als es später zum Zwist zwischen den einst verbündeten Rebellengruppen kam, floh er in die Schweiz. «Ich wollte bei diesem Bruderkrieg nicht mitmachen», sagt er. Wegen dieser politischen Haltung wurde er verfolgt.
Das Asylverfahren durchlief er in Genf. Es sei vorbildlich gewesen, sagt er, wohl auch, weil Genf unter internationaler Beobachtung stehe. Weil seine Geschichte gut dokumentiert war, wurde er problemlos aufgenommen. Haile fand Arbeit als Metallbauer in Genf und trat der christlichen Gewerkschaft «Syna» bei.

Aus Liebe nach Schaffhausen
Die Liebe sei schuld, dass er 1991 vom kosmopolitischen Genf in die Kleinstadt Schaffhausen zog. Vermisst er seine alte Heimat in Afrika? «Meine Familie sind heute meine Frau, meine Freunde vom Verein, von der Gewerkschaft, von der Schreibstube für Arbeitslose, wo ich seit der Gründung mitmache», sagt er. Sein Bruder sei im Krieg umgekommen, auch die Eltern lebten nicht mehr.
Heute bilden junge Männer aus Eritrea eine der grössten Flüchtlingsgruppen in Schaffhausen. Manche nehmen Kontakt zu Tekle Haile auf. «Sie wünschen sich ein besseres Leben», sagt er. Das sei verständlich. Trotzdem hätte er den meisten abgeraten, die Heimat zu verlassen. Zwar fänden Eritreer heute leichter Aufnahme als zu der Zeit von Hailes eigener Flucht. Aber die Flucht selbst sei gefährlich geworden, viele würden auf den Booten sterben, manche fielen Organräubern zum Opfer. Die Stimmung in der Schweiz sei fremdenfeindlicher geworden. Vor kurzem habe er bei einer Bewerbung am Telefon eine Absage erhalten: «Wir nehmen keine Ausländer.» Dabei hat Haile schon lange den Schweizer Pass.
Vor kurzem aber war Tekle Haile wieder in Eritrea. Dort plant er, ein Projekt aufzubauen. Eine Region ohne elektrischen Strom soll dank Solartechnologie Fortschritte machen. Gerne würde Tekle Haile Asylbewerber aus Eritrea in seiner Werkstatt instruieren: «Sie könnten die Solartechnologie zurück nach Eritrea bringen.» Aber dies ist Zukunftsmusik. Denn dafür braucht es Geld und noch weiss der Mann mit dem freundlichen Lächeln nicht, wie er dazu kommen soll.

Barbara Helg

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