Pionierinnen im Pfarramt
Erstmals bestiegen zwei Frauen in Zürich eine Kanzel, nämlich Elise Pfister und Rosa Gutknecht, die sich bald grossen Zulaufs erfreuten. Erst ab den 1930er-Jahren verliessen weitere Theologinnen die Universitäten, und noch Ende der 1950er-Jahre wirkten in der Deutschschweiz nur 16 Theologinnen in Kirchgemeinden.
Jeweils eine Pfarrerin in Arbon
Am 8. Oktober 1967 setzte die Kirchgemeinde Arbon erstmals in der Geschichte der Thurgauer Landeskirche eine Frau ins Pfarramt ein. Auch für Pfarrerin Hedwig Weilenmann- Roth war der Einzug ins Gemeindepfarramt ein Novum. Nachdem sie 1938 in Berneck als erste Theologin in der Evangelisch-reformierten Landeskirche St. Gallen ordiniert wurde, durfte Weilenmann-Roth noch kein Pfarramt übernehmen. Übrigens: seit die Pionierin vor über 50 Jahren die neu geschaffene dritte Pfarrstelle antrat, gehört dem Arboner Pfarrkollegium stets eine Frau an. Markus Schmid aus Riedt hat Weilenmann als knapp 20-jähriger erlebt, als die bereits Pensionierte die Pfarrstellvertretung in Neukirch an der Thur übernahm: «Sie war eine tolle Pfarrerin, die auch uns Jungen etwas zu sagen hatte. Um ihre Predigten zu hören, lohnte es sich aufzustehen und die Gottesdienste zu besuchen.»
«Fräulein Pfarrer, können Sie uns helfen?»
Im August 1969 trat Pfarrerin Christa Heyd ihre erste Pfarrstelle in Sitterdorf-Zihlschlacht an und diente somit als zweite Pfarrerin in einer Thurgauer Kirchgemeinde. Die Bischofszellerin blickt zurück: «Ich war die erste Frau, die am 28. Mai 1968 in der damals paritätischen Pelagikirche im Herzen von Bischofszell predigte. Das Vikariat machte ich in der Kirchgemeinde Bischofszell-Hauptwil.» In der Kirchgemeinde Zihlschlacht-Sitterdorf harrte man schon auf Heyds Dienste: «Fräulein Pfarrer, können Sie uns helfen?», tönte der Ruf. So wurde Pfarrerin Christa Heyd 1969 zum neuen Farbtupfer in der Thurgauer Kirchenlandschaft. «Geschlechterfrage war nie das Thema» Eine weitere Weggefährtin der beiden ersten Thurgauer Pfarrerinnen war Ruth Mauz. Die 1970 ordinierte Frau erinnert sich: «Ab Sommer 1974 unterstützte ich meinen Mann im Doppel-Pfarramt Langrickenbach und Birwinken. Den Menschen und mir fiel es leicht, uns gegenseitig anzunehmen. Nach dem Weggang meines Mannes wurde mir das Doppelpfarramt zur alleinigen Verantwortung anvertraut. Mein Geschlecht war nie ein Thema. Ich habe den Eindruck, dass die Leute im Thurgau auf ganz gesunde Weise zuerst die Gesamtperson, deren Haltung und ihr Auftreten beurteilen. Die Geschlechterfrage ist da zweitrangig.»
Teilzeitpensen in Familienphase
Der Aufschwung von weiblichen Pfarrpersonen im Thurgau verläuft harzig. Zehn Jahre nach Weilenmanns Amtseinsetzung wirkten erst fünf Frauen in einem Gemeindepfarramt der Thurgauer Landeskirche, für das Jahr 2000 weist das Thurgauer Pfarrverzeichnis 13 Pfarrerinnen aus. Und heute? Auch wenn es immer noch Gemeinden in der Thurgauer Landeskirche gibt, die noch nie eine Pfarrerin hatten, kann man sich eine Thurgauer Landeskirche nicht mehr ohne Pfarrerinnen vorstellen. Dass in den 63 Thurgauer Kirchgemeinden nur gut ein Viertel Pfarrerinnen sind, genau 23 von insgesamt 85 amtierenden Pfarrpersonen, mag auch mit dem Wunsch nach einem tieferen Teilzeitpensum in der Familienphase zusammenhängen. Nicht alle Kirchgemeinden können diesem Wunsch entsprechen. Immerhin teilen sich im Thurgau zehn Pfarrehepaare die Verantwortung im Pfarramt.
(22. September 2018, Brunhilde Bergmann)
Pionierinnen im Pfarramt