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Sehnsucht nach Einkehr und Stille

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01.01.2016
Die Klause in der Verenaschlucht macht Schlagzeilen. Zurzeit sucht man für sie einen Einsiedler. Über fünfzig Bewerbungen aus ganz Europa gingen ein. Es scheint, dass das Bedürfnis nach Rückzug und Stille im Zunehmen ist.

Der Arbeitsort: Ein Holzhäuschen auf einer Lichtung zwischen schroffen Felswänden. Auftrag: Pflege des Pilgerorts und Erzählen der Legende der Heiligen Verena. Lohn: 1000 Franken und Logis. So die Eckdaten des Stelleninserats der Bürgergemeinde Solothurn. Die Suche nach einem Einsiedler war nötig geworden, da die Vorgängerin ins Altersheim zog. Aus gesundheitlichen Gründen wie Verena Dubacher verlauten liess. Verena Dub­acher war die erste Frau, die in die seit 1442 durchgängig bewohnte Klause zog.

Auszeit für zwei, drei Tage
Das kleine Gehalt und die langen Arbeitszeiten der Stelle schreckten nicht ab. Im Gegenteil, aus ganz Europa meldeten sich mehr als 50 Bewerberinnen und Bewerber. Der Wunsch, sich in Einsamkeit und Stille zurückzuziehen, fasziniert. Das stellen auch Klöster und Gemeinschaften in der Region fest. «Zurzeit sprechen uns viele auf die Verenaschlucht an», erklärt Bruder Christoph von der ökumenischen Gemeinschaft Kloster Beinwil.
Die wachsenden Gästezahlen der letzten Jahre zeigen Bruder Christoph das grosse Bedürfnis nach Stille. «Die meisten Besucher nehmen sich eine Auszeit für zwei, drei Tage oder länger.» Sie suchten den «Rückzug auf Zeit aus der Alltagsmüdigkeit». Doch sie wollten nicht die Einsamkeit auf einer abgelegenen Alphütte, sondern eine geschützte Auszeit innerhalb eines spirituell-christlichen Rahmens. Gefragt seien spirituelle Impulse, so Bruder Christoph, die so nur aus der Stille erwachsen könnten. Interessant scheint der Gemeinschaft Beinwil, dass sowohl Kirchennahe wie Kirchenferne dieses Bedürfnis teilen.
Dass sich unter den Gästen Kirchenferne befinden, stellen auch die Schwestern in Gelterkinden BL fest. Der Zweig der evangelischen Schwesternschaft von Grandchamp wurde vor sechzig Jahren gegründet. Die Zahl der Besucher sei konstant, erklärt Schwester Therese. Der Sonnenhof bietet die Gelegenheit der Stille und des Rückzugs. Viermal am Tag versammeln sich die Schwestern in der Kapelle zum liturgischen Gebet. Die Mahlzeiten werden schweigend eingenommen. Diese Auszeit wird von den Gästen sehr geschätzt, erzählt Schwester Therese.
Anlässlich des Jubiläums von Columban zog sich vor einem Jahr Patrick Schwarzenbach in den Wald oberhalb St. Gallen zurück. Auch der Einsiedler auf Zeit stellt fest, dass die Sehnsucht nach temporärer Einsamkeit zugenommen hat. «Niemand möchte allein sein. Aber nach einer befristeten Zeit mit sich selbst sehnen sich viele.» Der reformierte Theologe sieht es «als grossen Dienst am Nächsten, wenn die Reformierte Kirche Orte schaffen würde, an denen man den inneren Kompass ausrichten kann».

Tilmann Zuber

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