Stephanie Krieger: «Das Wellness-Angebot der Kirche heisst Stille»
Die Tage werden merklich kühler, kürzer und dunkler. Bei vielen weckt das den Wunsch nach Stille und Besinnung. Doch bis zum Advent dauert es noch einige Wochen. Diese Zeit füllen die Baselbieter Kirchen mit ihrer ökumenischen Kampagne zur Stille. «Wir möchten die Leute dazu ermutigen, sich Zeit zu nehmen und Einkehr zu halten», erklärt Stephanie Krieger, Leiterin der Fachstelle Kommunikation der Reformierten Kirche Baselland. Die Kirchen verstehen dies als ihr ureigenes, unentgeltliches «Wellness»-Angebot.
Sich eine Pause vom Alltag gönnen
Um einen Moment der Ruhe zu geniessen, setzt sich Stephanie Krieger gerne in eine Kirche. Zwar sei es nicht in allen gleich still. Je nachdem, wie der Raum «eingerichtet» sei und wie viele Besucher sich gerade darin befinden, wirke er mehr oder weniger erholsam. Die meisten Kirchen eigneten sich aber sehr gut als «Oasen der Stille»: «Sie bieten eine Pause vom Alltag und die Gelegenheit, sich zu sammeln.»
Die Kampagnenleiterin schätzt die Stille: «Im Berufsalltag bin ich mit Reden, Schreiben, Lesen und Bildern beschäftigt.» Sie renne oft von einem Anlass zum nächsten und begegne vielen Leuten. «Da empfinde ich es als angenehm, einfach einmal still zu sein und loszulassen.»
Wo man Stille suche und finde, sei wohl sehr individuell, glaubt Stephanie Krieger. Sie selber verbindet damit weniger die Lautlosigkeit als vielmehr den Wunsch, der Hektik zu entfliehen. Das funktioniere auch an Orten, wo eine Geräuschkulisse herrscht. «Ich bin ein Kind der Stadt. Komplette Stille mag ich nicht.»
Stille bedeutet für Stephanie Krieger eine andere Art der Wahrnehmung. Nachts, nachdem das Brummen des Tages verstummt ist, höre sie plötzlich, wie die Pendeluhr ihres Nachbarn, die sonst in all den Nebengeräuschen untergeht, die Stunden schlägt. «Dann weiss ich, dass es spät sein muss.»
Der Lärm im Kopf
Geräusche drängen nicht nur von aussen hinein, sagt die Kommunikationsfachfrau. Auch im Kopf könne es lärmig sein, wenn man den ganzen Tag unterwegs oder mit vielem beschäftigt ist. Sie komme zur Ruhe, wenn sie sich von nichts ablenken lasse. Am besten gehe das zu Hause mit einem Buch auf dem Sofa. «Beim Lesen versenke ich mich in einen Text und blende alles andere aus. Dann wird es still.» Sie brauche das tägliche Ritual, sich einen Moment der Stille beim Lesen zu gönnen. «Manchmal lese ich einen Psalm oder einen Bibelvers, um Erholung zu finden.»
Stephanie Krieger erlebt Stille an viel besuchten Orten, etwa bei der Betrachtung eines Gemäldes im Museum. «Ich vergesse alles um mich herum und konzentriere mich vollständig auf das Bild.» Ebenso kennt sie die «laute Stille», wenn zum Beispiel nach einem Konzert die Musik im Kopf nachhallt.
Zum Bild: Stephanie Krieger in der Stadtkirche Liestal: «Kirchen bieten eine Pause vom Alltag und die Gelegenheit, sich zu sammeln.» | Plüss
kim
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