Taufbücher und biblische Bildwelten
Die ältesten erhaltenen Taufbücher im deutschsprachigen Raum sind seit rund zehn Jahren zurück in Basel – wenn auch nur als hochwertige Kopien. Die 1700 Seiten geben ein eindrückliches Bild, wie über Jahrhunderte geboren und gestorben wurde. «Die Taufregister wurden im 19. Jahrhundert aus dem Nachlass des Pfarrhelfers Johann Jakob von Brunn via Paris nach England verkauft. Die Originale befinden sich heute in der British Library in London», erklärt die Kulturvermittlerin Barbara Piatti. Anfangs seien die Taufbücher für sie «ein Buch mit sieben Siegeln» gewesen. «Doch die Register zogen mich bald in ihren Bann.» Piatti entlockte ihnen – unterstützt von Experten – kultur- und bevölkerungsgeschichtliche Informationen. 1638 etwa war eines der «Spitzenjahre» bei den Geburten, weil in den Wirren des Dreissigjährigen Kriegs viele Frauen aus Baden oder dem Elsass nach Basel flüchteten. «Die Taufbücher erwachten durch solche Informationen zum Leben», sagt Barbara Piatti.
Auch emotional spricht der kulturgeschichtliche Schatz an: Kindstode und Nottaufen – daran lässt sich der gänzlich andere Umgang der frühneuzeitlichen Gesellschaft mit Kindersterblichkeit und Höllenvorstellungen erkennen. Die Angst, ungetaufte Kinder würden in die freudlose Vorhölle kommen, war so gross, dass tote Säuglinge durch Erwärmung nochmals «erweckt», rasch getauft und erst dann bestattet wurden.
Matthäus Merian der Ältere
In den Taufregistern macht man auch freudige Entdeckungen: so zum Beispiel die Erwähnung von Matthäus Merian, Schöpfer des berühmten Basler Vogelschau-Plans und Star der aktuellen Ausstellung «Iconic!». Der Originaleintrag lautet: «Item den 25. Septemb. (1593). Walter Mörian dem Seger eins heist Matheus, Gevettern Marx Huber, Jacob Algower, Esther Wißenen.» Geboren wurde der Knabe vermutlich vier Tage zuvor, am 21. September – dem Tag des namensstiftenden heiligen Matthäus. Die Mutter, die 26-jährige Margaretha Falckner, findet keine Erwähnung. Über den Paten Marx Huber weiss man immerhin, dass er Goldschmied war – spätere Merian-Biografen deuten dies als gutes Omen für die künstlerische Laufbahn des Knaben.
Erfolgreicher Geschäftsmann
«Der junge Merian verbrachte seine Kindheit in der väterlichen Sägerei im Kleinbasel – zwischen Mühlrädern und Kanälen –, ehe er sich ab 1607 zum Glasmaler und Radierer ausbilden liess», erklärt Barbara Piatti. 1620 liess er sich im Klingental nieder. Seine ersten beiden Kinder Matthäus und Margaretha wurden 1621 und 1623 ebenfalls in St. Theodor getauft.
1624 siedelte Merian mit seiner Familie nach Frankfurt am Main über, um dort die Druckerwerkstatt und den Verlag seines Schwiegervaters zu übernehmen. «Wie erfolgreich Matthäus Merian der Ältere dann mit den ab 1625 veröffentlichten Bibel-illustrationen, den ‹Icones Biblicae›, sein künstlerisches Talent mit kaufmännischem Kalkül kombinierte, zeigt die Ausstellung ‹Iconic!› im Basler Münster», sagt Barbara Piatti.
Freitag, 14. November, 18 bis ca. 19 Uhr, St. Theodor, Theodorskirchplatz: Merian-Erzählnacht für Kinder ab 5 Jahren.
«Die Sage aus dem Kupferreich. Oder wie die Menschen wieder lernten, mit den Tieren zu sprechen.» Barocke Flusslandschaften, fremdartige Tiere, dramatische Szenen: die «Wimmelbild»-Radierungen von Matthäus Merian, neu erzählt als Abenteuergeschichte für Kinder von heute. Eintritt frei.
www.setzkasten.xyz
Samstag, 15. November, 14 Uhr: Treffpunkt: Basler Münster, Hochchor. Spezialführung durch die Ausstellung «Iconic!». Anschliessend Fährfahrt und Spaziergang zu St. Theodor. Zirka 16 Uhr: Besichtigung und Erzählung zu den dortigen Taufbüchern mit dem Taufeintrag von Matthäus Merian; mit Barbara Piatti in Zusammenarbeit mit der Reformierten Kirchgemeinde Kleinbasel, St. Theodor. Im Anschluss Apéro und Ausklang. Eintritt frei.
www.iconic-merian.ch
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