«Vergebung schenkt Frieden»
Beichtgespräche widerspiegeln für mich die ganze menschliche Realität. Ich habe grosse Achtung vor Menschen, die sich in der Beichte von ihrer schwachen und verletzlichen Seite zeigen. Wenn die Leute zu mir kommen, darf das ganze Leben vor Gott ungeschönt zum Ausdruck kommen. Wer mit beiden Füssen auf dem Boden steht, wird über die Beichten nicht so schnell überrascht sein.
Die Bibel zeichnet ein schonungslos realistisches Bild des Menschen: Mord und Totschlag, Eifersucht, Betrug. Wenn ich das Alte Testament aufschlage, begegnen mir viele biblische Figuren mit schuldbeladener Geschichte. Auch die vermeintlichen Helden haben selten eine reine Weste.
Ich erlebe in den Psalmen ein lebendiges und grundehrliches Zeugnis über alle menschlichen Gefühle. Da wechseln sich Todesangst, Wut und Freude ab. Der Lesende spürt: «Ich bin nicht alleine mit meinen Erlebnissen und meinem Ballast, ich muss mich für keine meiner Empfindungen schämen.»
Es braucht einen differenzierten Blick auf den Menschen, der weder nur gut noch nur schlecht ist. Es gibt im Menschen den Hang zum Bösen sowie eine Sehnsucht nach dem Guten, Wahren und Schönen. Als Christinnen und Christen ist es unsere Berufung, Gutes zu tun und in uns selbst Christus immer stärker Gestalt annehmen zu lassen. Dabei reicht uns Gott aufs Neue seine helfende Hand. Er wird das Gute, das er in uns begonnen hat, vollenden.
Das Neue Testament hält auf alles menschliche Versagen eine Antwort bereit: Jesus begegnet uns auf Augenhöhe, er kommt uns in einer ermutigenden, heilsamen und aufrichtenden Weise entgegen.
Seine Tat am Kreuz, seine Vergebung trägt alles. Sie ist eine zeitlose und zeitgemässe Antwort auf alles menschliche Elend.
Das Sakrament der Versöhnung ist zeitlos gültig. Die Form hat sich im Laufe der Jahrhunderte gewandelt. Der Zuspruch von Gottes Vergebung jedoch angesichts menschlicher Unvollkommenheit ist von bleibendem Wert. Wer ein Gewissen hat, der spürt sehr gut, wenn er einen Fehler gemacht hat. Die Erfahrung von Schuld ist die Konsequenz daraus. Die Vergebung ist ein Geschenk Gottes, denn er ist ein Gott der Liebe und der Barmherzigkeit.
Vergebung schenkt Frieden. Sie macht nicht etwas ungeschehen, aber sie schenkt einen neuen Beginn. Das Heil Gottes, das dem schuldverstrickten Menschen verheissen ist, wird in Jesus Christus fassbar. Die Erfahrung, trotz unserer Unvollkommenheit geliebt und angenommen zu sein, ist eine grosse Ressource zu einem gelingenden Leben. Ohne Ballast lebt’s sich einfach leichter.
Auch ich selbst gehe regelmässig zur Beichte. Ich wäre wohl ein ziemlich schlechter Beichtvater, wenn ich das Sakrament der Versöhnung nicht auch persönlich
als grosses Geschenk erfahren dürfte. Die persönliche Entlastung, die ich in der Beichte erlebe, gibt mir zusätzlichen Boden und eine gesunde Demut. Besonders jene Sünden, welche die Gemeinschaft und die Beziehung zerstören, wiegen schwer. In der Vergebung wird die Beziehung wiederhergestellt und geheilt. Gott ist ein Gott des Lebens, der das Leben will – für uns und andere. Vergebung ist möglich, auch Neubeginn – jederzeit! Denn jeder hat eine zweite Chance verdient!
«Vergebung schenkt Frieden»