Wie Albert Schweitzer Schaffhausen verzauberte
Albert Schweitzer, der berühmte Arzt, Philosoph, Theologe und Friedensnobelpreisträger, ist den meisten vor allem als Gründer des Urwaldhospitals in Lambarene, Westafrika, bekannt. Weniger bekannt jedoch ist sein prägender Einfluss auf das kulturelle Leben in Schaffhausen, einer Stadt, mit der er zeitlebens verbunden war. Schaffhausen war kein zufälliger Ort für Schweitzers Wirken: Die Stadt verfügte bereits seit längerem über eine reiche Tradition im Bereich der Orgelmusik und eine lebendige reformierte Kirchgemeinde.
Die Kirche war gestossen voll, wenn er auswendig Bach spielte, umringt von Pfarrern und Anbetern.
Sein Engagement für den Orgelbau und seine fundierte Musikwissenschaft hinterliessen sichtbare Spuren, etwa bei der teilweisen Restaurierung der Orgel in der Kirche St. Johann. Dort galt er als sachkundiger, wenn auch «mitunter unbequemer Ratgeber», dessen Leidenschaft für die Musik und den Erhalt der Orgeln unverkennbar war.
Pfarrhaus und Kirche prägen
Schweitzers familiärer Hintergrund beschreibt Thomas Bornhauser, Theologe und Stiftungsrat des Albert-Schweitzer-Werks, als entscheidend: «Albert Schweitzers Vater war Pfarrer. Im Milieu von Pfarrhaus und Kirche konnte seine Weltanschauung reifen.» In jungen Jahren war Schweitzer in der Theologie anerkannt und hätte an mehreren Universitäten Professuren erhalten können. Doch er entschied sich gegen eine akademische Karriere, widmete sein Leben dem Aufbau des Krankenhauses in Lambarene. Um finanzielle Mittel für dieses Vorhaben zu sammeln, ging er in Europa auf Vortrags- und Konzertreisen, äusserte sich als Spezialist für Johann Sebastian Bach und als Kenner der Orgelbau-Theorie. Dieses Wirken verschaffte ihm grosse Bekanntheit. Schlussendlich wurde ihm für seinen Einsatz gegen die Aufrüstung und für seine Ethik der «Ehrfurcht vor dem Leben» der Friedensnobelpreis verliehen.
Musik überwindet Feindschaft
Ein eindrucksvolles Kapitel seiner Verbindung zu Schaffhausen ist die Gründung der Internationalen Bachgesellschaft im Jahr 1946, bei der Schweitzer erster Ehrenpräsident war. Die Gesellschaft entstand unmittelbar nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs mit dem Ziel, durch die Musik Johann Sebastian Bachs Menschen aus ganz Europa zu vereinen. Sie sollte ein Symbol der Versöhnung sein – ein Zeichen des Friedens über nationale Grenzen hinweg.
Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.
Schweitzer selbst prägte das musikalische und geistige Klima rund um das erste Schaffhauser Bachfest. Weggefährten erinnern sich an ihn als Humanisten, der sagte: «Musik hat die Kraft, Menschen zu verbinden, selbst nach Jahren bitterster Feindschaft.» Bereits zuvor, in den Jahren 1928 und 1936, hatte Schweitzer in Schaffhausen bedeutende Orgelkonzerte gegeben. Der damalige Organist im Münster, Paul Binde, hielt zahlreiche Anekdoten schriftlich fest: «Die Kirche war gestossen voll, wenn er auswendig Bach spielte, umringt von Pfarrern und Anbetern.»
Schweitzers Urteil über die Schaffhauser Orgel war überaus lobend, und als er erfuhr, dass die Orgel ausgetauscht werden sollte, zeigte er seine Abneigung gegenüber Orgelerneuerungen, die er für Geschäftemacherei und unfair hielt. «Stellen Sie sich mit der Nilpferdpeitsche neben den Orgelbauer», soll er zu Paul Binde gesagt haben, um den Abbau des Instruments zu verhindern.
Diese Geschichten und weitere bislang weitestgehend unbekannte Begegnungen mit Albert Schweitzer wird Pfarrerin Ute Nürnberg anlässlich einer Soiree am 6. September in Schaffhausen vorstellen. Albert-Schweitzer-Spezialist Thomas Bornhauser wird am 11. September einen Vortrag über den bedeutenden Denker halten, dessen Lebensmotto war: «Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.» – «Auch heute wirkt Schweitzers Ethik weiter», betont Thomas Bornhauser. «Es gibt zahlreiche Hilfswerke, Schulen und Spitäler, die ausdrücklich im Geiste Schweitzers betrieben werden und oft seinen Namen tragen.»
150. Geburtstag von Albert Schweitzer
«Albert Schweitzer und die Orgel». Musik: Werke von J. S. Bach und Charles Widor, Andreas Jud (Orgel) und Roland Müller (Querflöte). Texte: Pfarrerin Ute Nürnberg. Samstag, 6. September, 19 Uhr, Münster
«Menschlich leben in unmenschlicheren Zeiten». Vortrag von Thomas Bornhauser, Dr. theol., Erwachsenenbildner und Autor, Mitglied des Stiftungsrats Albert-Schweizer-Werk. Donnerstag, 11. September, 19 Uhr, Zwinglikirche
«Albert Schweitzer – Grenzenlose Menschlichkeit im Denken und Handeln». Ausstellung im Münster, gesamter September.
«Musik und Worte» in Burg, Stein am Rhein, 7. September, 17.15 Uhr, Stadtkirche
Wie Albert Schweitzer Schaffhausen verzauberte