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Fokus «Weniger ist mehr»: Medienkonsum

Wie viel Schlagzeilen kann ich ertragen?

von Matthias Zehnder
min
25.01.2024
Matthias Zehnder, Medienexperte

Deutschland bereitet sich auf Krieg mit Russland vor! Hamas plant Terroranschläge in Europa! Künstliche Intelligenz pflügt den Schweizer Arbeitsmarkt um! Krieg, Terror, KI – schlechte Nachrichten überall! Viele Menschen können ihr Handy kaum mehr aus der Hand legen. Sie warten nur darauf, eine neue, noch schlechtere Nachricht zu sehen. Das ist Doomscrolling.

Doomscrolling ist keine persönliche Schwäche, sondern die Folge davon, dass unser Gehirn schlechte Nachrichten als wichtiger einstuft als gute Nachrichten. Neuropsychologen bezeichnen das als Negativitätseffekt: Wir nehmen schlechte Nachrichten stärker wahr als gute, und wir erinnern uns besser an schlechte Nachrichten als an gute. Das ist ein Problem, und zwar nicht nur, wenn es um Nachrichten geht. Ein schlechtes Feedback kann schwerer wiegen als 99 Lobreden. Das Schlechte ist mächtiger als das Gute.

 

Matthias Zehnder, Medienexperte

Doomscrolling ist keine persönliche Schwäche, sondern die Folge davon, dass unser Gehirn schlechte Nachrichten als wichtiger einstuft als gute Nachrichten.

 

Aber warum ist das so? Vermutlich war diese Reaktionsweise in der Vergangenheit nützlich, um zu überleben. Wer schneller und stärker auf Gefahren reagierte, hatte eine höhere Chance, sie zu überleben. Schönheit ist selten überlebens­wichtig. Unser Gehirn filtert die Eindrücke, die es von der Welt erhält.

Der Filter im Gehirn lässt nur jene Informationen durch, die wichtig sind. Und wichtig war evolutionär alles, was mit Überleben zu tun hat. Vermutlich ist es diese Prägung, die uns heute einholt, wenn wir Nachrichten konsumieren.

Suchen Sie gezielt gute Nachrichten. Es gibt mehr davon, als Sie glauben.

Weil schlechte Nachrichten den Schutzfilter unseres Gehirns problemlos durchdringen, bringen die Medien überproportional viele solche Meldungen. Das gilt ganz besonders im Internet. Das hat fatale Folgen: Weil nur schlechte Nachrichten über die Welt zur Verfügung stehen, schätzen wir den Zustand der Welt schlechter ein, als er ist. Beherrschen Sie deshalb Ihre steinzeitlichen Instinkte und lassen Sie sich nicht zum Doomscrolling verführen. Bloss: Wie soll das gehen? Drei konkrete Tipps:

1) Lernen statt informieren: Beschränken Sie Ihren Nachrichtenkonsum zeitlich und konsultieren Sie nur se­riöse, journalistische Medien.

2) Verstehen statt aufregen: Lesen Sie ausführliche Hintergrundberichte oder ein Buch über wichtige Themen.

3) Positiv statt negativ: Suchen Sie gezielt gute Nachrichten. Es gibt mehr davon, als Sie glauben.

 

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