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Aug' in Aug' mit dem Tod

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21.10.2019
Es ist immer zu früh, bis es zu spät ist. Warum das Reden über Leben und Sterben so wichtig ist. Dein-Adieu-Autor Martin Schuppli schwatzt und schreibt darüber.

Drum sag ich’s noch einmal: Es ist immer zu früh, über Leben und Sterben zu reden – bis es zu spät ist. Unser Ende wird kommen, unausweichlich. Heute. Morgen. Wenn dereinst der Tage alle sind. Wenn Gevatter Tod mit knöcherner Hand anklopft und uns abholt zur Fahrt über den mystischen Fluss Styx ins Totenreich. In den Himmel, ins Paradies, ins nächste Leben. 

Kathedralen und Friedhöfe
Das Interesse an Themen rund um Leben und Sterben begann wohl in früher Jugend. Vaters freimaurerisches Engagement weckte mein Interesse an Ritualen und grossen Feiern. Es waren Beerdigungen, die ich erlebte. In Kirchen oder Abdankungshallen. In den Ferien besuchten wir Europas Dome, Kathedralen, Kirchen. Ich wandelte über Friedhöfe. 

Gebären und sterben
Den toten Grossvater wollte ich nicht sehen. Die Geburt meiner Zwillinge erlebte ich im Gebärzimmer. Bei Vaters Tod war ich ebenso zugegen. Er starb palliativ versorgt im Spital Affoltern. Des Lebens satt. Still wollte er werden. Mir wurde klar, Gespräche mit Menschen wie den Palliativmedizinern Roland Kunz und Markus Minder verändern mein Verhältnis zum Leben, zum Sterben. Ich tauchte ein in die Materie. Interviewte Gabriel Looser, Sterbeforscher, Margareta Neff, Hebamme, oder Tim Klose, Psychiater. Um nur drei zu nennen – von über hundert Porträtierten.  

Kaffee gegen Gespräch
Der Tod, das Sterben wurde mein Thema. Der selbst gewählte letzte Lebensabschnitt. Exit, Freitod, Demenz. Die Verarbeitung von Trauer ebenso. Der Umgang mit Schmerz. Mit Traumata. Mit Krebs. Fragt mich jemand, warum ich darüber rede – und zwar so, wie mir der Schnabel gewachsen ist –, dann sag ich: «Weil ich das kann.»

Und immer stehen Menschen im Mittelpunkt. Die Menschen erzählen mir Abschnitte aus ihrem Leben, sie informieren mich, lassen sich fotografieren. Ich frage sie an, oder sie melden sich bei mir. Etwa im Schreib- und Schwatzgeschäft. Beim Tausch Kaffee gegen Gespräch. Mich erreichen Telefone und Mails, Briefe und SMS.

 Noch 1428 Blogs bis zum Tod
Dem Sterben den Schrecken nehmen, über den Tod reden und schreiben, das ermöglicht mir mein Blog auf DeinAdieu.ch. Meine Erkenntnis: Ich lebe meine letzten Tage. Und die geniesse ich. Tag für Tag. Denn es ist immer zu früh, das Leben auszukosten. Bis es zu spät ist. Übrigens: Der letzten Tage könnten es 10 000 sein. Das wären 1428 Blogs. 

Jede Woche einen. Gut 27 Jahre würde ich noch leben. Und mit 92 die Segel streichen. Es bleibt also genug Zeit für unzählige Cafés und viele Gespräche.

 

Text: Martin Schuppli, Journalist BR, Walenstadt | Foto: Paolo Foschini – Kirchenbote SG, November 2019

 

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