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Gottfried Locher: «Ich will ermutigen, ermahnen und ermöglichen»

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13.06.2018
Kirchenbundspräsident Gottfried Locher zieht eine positive Legislaturbilanz. Mit Blick auf das Duell mit Rita Famos spricht er von einer Richtungswahl.

Herr Locher, welche Bilanz ziehen Sie mit Blick auf die zurückliegende Legislatur?
Wir haben eine tolle Zeit hinter uns: Das Reformationsjubiläum haben wir gemeinsam mit den Kantonalkirchen würdig gefeiert. Bundespräsident Berset und Bundesrat Schneider-Ammann waren in Genf und Zürich mit dabei. Hinzu kam das Jugendfestival Reformaction. Auch der ökumenische Gottesdienst in Zug war ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr christlicher Einheit. Und die Verfassungsreform des Kirchenbunds ist auf der Zielgeraden.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit im Rat?
Wir sind ein starkes Team von unterschiedlichen Frauen und Männern, die eine gemeinsame Vision haben. Die Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum haben uns stark gefordert, uns aber als Team noch mehr zusammengeschweisst. Stärker als früher übernehmen einzelne Ratsmitglieder Leitungsverantwortung. Als Ratspräsident bin ich eher Moderator als Manager. Meine Aufgabe ist: ermutigen, ermahnen und ermöglichen. So verstehe ich mein Amt.

Welche Ziele setzen Sie sich für die nächsten vier Jahre?
Sobald die Abgeordneten grünes Licht geben, wollen wir die neue Verfassung umsetzen. Die Mitgliedkirchen sollen stärker als bisher in die gesamtschweizerische Arbeit einbezogen werden. Wir haben keine Zeit zu verlieren, jährlich treten Tausende von Menschen aus der Kirche aus. Auf allen Ebenen der Kirche, in der Gemeinde, in der Landeskirche und auf nationaler Ebene müssen wir etwas dagegen tun.

Welche konkreten Auswirkungen hat die Verfassung?
Im Mittelpunkt der neuen Verfassung steht weder der Rat noch das Präsidium, sondern die neue gesamtschweizerische Synode. Für den Rat setze ich auf eine breitere Verteilung der Aufgaben. Neu werden alle Ratsmitglieder Handlungsfelder übernehmen. Das Präsidium soll sich auf das konzentrieren, was in der neuen Verfassung steht: die Kirche in der Öffentlichkeit repräsentieren, die Gemeinschaft zwischen den Mitgliedkirchen fördern und Anregungen zum kirchlichen Leben und zur kirchlichen Auftragserfüllung formulieren. Wie in der Kirchgemeinde geht es auch in den Landeskirchen und auf nationaler Ebene eher um ein Spezialpfarramt als um einen Managerposten.

Ihre Konkurrentin Rita Famos interpretiert den Entscheid der Abgeordneten, die geistliche Leitung auf Präsidium, Rat und Synode aufzuteilen, statt sie dem Präsidium zuzuordnen, als Misstrauensvotum gegen Sie.
Damit lenkt sie von den Tatsachen ab. Die Abgeordnetenversammlung ist sich völlig einig, dass alle drei Leitungsinstanzen, auch das Präsidium, geistliche Leitungsverantwortung tragen. Von Misstrauen kann also keine Rede sein, im Gegenteil. Im Übrigen sollten wir etwas weniger personalisiert argumentieren. Wir machen die Verfassung nicht für uns, sondern für unsere Kinder und Kindeskinder.

Stark kritisiert wurden in den letzten Monaten Zitate aus dem Buch von Josef Hochstrasser «Gottfried Locher – Der reformierte Bischof auf dem Prüfstand», insbesondere das Kapital über Prostitution. Gibt es Aussagen, die Sie bereuen?
Mit Verlaub, dass meine Aussagen ganze vier Jahre nach Erscheinen wieder hervorgeklaubt werden, hat wohl mehr mit dem Wahlkampf zu tun als mit dem Interesse an der Sache. Wer die ganze Passage im Buch liest, erkennt genau, dass ich die hässliche Seite der Prostitution klar benannt und das Leid der Frauen nicht bagatellisiert habe. Ich bin gerne bereit, ein weiteres Mal zu meinen damaligen Aussagen Stellung zu nehmen. Mit Frauen aus der Abgeordnetenversammlung ist bereits ein Termin vereinbart dafür. Ich stelle mich dem Gespräch. Aber nun warten wir mal den Ausgang der Wahl ab. Bei dieser Wahl geht es um viel mehr.

Und worum geht es in Wirklichkeit?
Es geht um eine Richtungswahl. Ich stehe für eine Kirche, die sich mutig am Evangelium orientiert und nicht am öffentlichen Applaus. Ich stehe für eine Kirche, die ihre Komfortzone verlässt und die Dinge beim Namen nennt, auch die unschönen. Jesus Christus spricht in eine gefallene Welt hinein, nicht in eine Wohlfühloase. Wir sind gerufen, Christus auch dorthin nachzufolgen, wo die Welt fragwürdig ist.  Stellen wir uns der unheiligen Welt, bevor wir vom Heiligen Geist reden. Das ist schwierig. Aber es ist, was die Kirche menschlich macht.

Interview: Felix Reich, reformiert.info, 13. Juni 2018

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