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Letzte-Hilfe-Kurs im Kanton Luzern

«Der Tod ist das Normalste im Leben»

von Tilmann Zuber
min
27.09.2023
Der Letzte-Hilfe-Kurs vermittelt Basiswissen zur Sterbe­begleitung und lässt Raum für Fragen über Tod und Sterben. Kursleiter Jörg Leutwyler kennt die Thematik aus persönlicher Betroffenheit. Zwei Jahre lang pflegte der Pfarrer seine demente Schwiegermutter.

Man schimpft über das Wetter und diskutiert über Politik. Doch wenn es ums Sterben geht, verstummen viele. «Dabei ist der Tod das Normalste im Leben», sagt Jörg Leutwyler. «Irgendwann wird jeder mit dem Sterben der Eltern, der Freunde und Verwandten konfrontiert.» Trotzdem seien viele in solchen Momenten ratlos und überfordert, und es fehle schlicht an Informationen zum Thema.

Hier setzt der Letzte-Hilfe-Kurs an. Die Teilnehmenden erhalten Grundwissen und Informationen über regionale und nationale Unterstützungsangebote und erlernen einfache Handgriffe. Der Kurs bietet auch Raum für persönliche Fragen über Tod und Sterben sowie die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit.

Spitalseelsorger und Pflegefachfrau

Entwickelt wurde das mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Kurskonzept von dem deutschen Palliativmediziner Georg Bollig und seinem österreichischen Kollegen Andreas Heller.
Der Tageskurs wird jeweils von zwei Personen aus unterschiedlichen Bereichen geleitet. Im kostenlosen Kurs vom November in Ebikon sind dies der Spitalseelsorger Jörg Leutwyler und die Pflegefachfrau Iris Czymek. Leutwyler ist Teil des Seelsorge- und Careteams des Luzerner Kantonsspitals und des Zuger Pflegeheims Baar. Der Deutschfranzose bringt viel Erfahrung und Wissen mit. Im südfranzösischen Montpellier gross geworden, studierte er Jura und wurde Anwalt. Dann nahm sein Leben eine andere Richtung. Der Jurist studierte reformierte Theologie und arbeitete acht Jahre lang als Seelsorger in Montreal, Joliette und Kingston. In Lausanne doktorierte er über Seelsorge und Managemant in Spitälern.

Es ist wichtig, dass sich die Familie am Schluss am Bett von der Mutter oder dem Vater verabschieden kann.

Zwei Jahre die Schwiegermutter gepflegt

Jörg Leutwyler weiss, wovon er im Kurs spricht. Zwei Jahre lang blieb er zu Hause und pflegte zusammen mit seiner Frau die Schwiegermutter. Sie war dement geworden. Leutwylers wollten die betagte Frau jedoch während der Coronapandemie nicht in ein Heim geben, so lebte die Schwiegermutter die letzten zwei Jahre bis zu ihrem Tod zu Hause. Seine zierliche Frau konnte ihre schwere Mutter nicht stemmen, Jörg Leutwyler übernahm fortan diese Aufgabe. «Ich habe unzählige Windeln gewechselt und sie täglich geduscht», sagt der Pfarrer. Dabei habe ihn die Schwiegermutter nicht mal gemocht – «du willst doch keinen Franzosen heiraten!», habe sie ihre Tochter gewarnt. Mit der Zeit spürte Leutwyler, wie sich die Beziehung zu ihr veränderte, er sah die Dankbarkeit in ihren Augen, wenn er ihr das Essen einlöffelte. «Wir führten intensive Augenspräche», erinnert sich der Pfarrer. Am 2. Januar 2022 um 4 Uhr am Morgen starb die Schwiegermutter. Die Hunde, zwei kleine Westies, wollten in der Nacht, in der sie starb, ihr Zimmer nicht verlassen. Sie spürten den nahen Tod. «Die Schwiegermutter starb friedlich, umgeben von ihren Hunden, ihren Möbeln und in ihrem Bett», sagt Leutwyler. «Was gibt es Schöneres?»

Die Zeit mit seiner Schwiegermutter hat den Seelsorger geprägt und verändert. Die zwei Jahre hätten ihn reich beschenkt und ihm die Augen geöffnet. Das Erlebte hat seinen Glauben gestärkt und ihm gezeigt, dass er rund um die Uhr für jemanden da sein könne. Das habe er vorher nicht gewusst. Natürlich weiss Leutwyler, dass man eine Betreuung nicht verlangen kann und Angehörige auch Nein sagen dürfen und sollen. Der Pfarrer hat schon oft erlebt, wie ein Ehepartner nicht mehr kann und wütend erklärt, der andere müsse doch endlich sterben, sonst gehe sein Leben kaputt. Und er weiss, wie wichtig es ist, dass sich die Familie am Schluss am Bett von der Mutter oder dem Vater verabschieden kann.

«Das Leben ist ein Mysterium»

Beeindruckt hat ihn, als sich einmal im Spital Wohlhusen die zwölf Kinder um das Bett ihrer verstorbenen Mutter versammelten und sich an den Händen fassten. Die letzten in der Reihe ergriffen die Hand der Mutter. Solche Erfahrungen möchte Jörg Leutwyler in den Kurs einbringen. Das sei seine persönliche Note. «Das Leben ist ein Mysterium. Sterben ist nicht schlimm, das Leben in Christus geht weiter», ist er überzeugt. Das zu erkennen, bedeute für ihn Auferstehung, die man nicht erklären kann.

 

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