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Die Schweizer Reformatoren hielten sich zurück

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16.01.2018
Luther hetzte gegen Juden. Die Schweizer Reformatoren hielten sich eher zurück, erklärt der reformierte Kirchenhistoriker Achim Detmers. Ein Grund: In Zürich und Genf schätzte man das Alte Testament.

Juden seien die «Grundsuppe aller losen, bösen Buben, aus aller Welt zusammengeflossen», schrieb Martin Luther 1543. Man könne sie totschlagen, die Obrigkeiten sollten ihre Synagogen und Schulen verbrennen, ihre Häuser zerstören. Der deutsche Reformator ist bekannt für seinen Judenhass. Der Antijudaismus vieler Reformatoren leite sich auch aus religiösen Motiven ab, sagt Achim Detmers, Generalsekretär des Reformierten Bundes in der Evangelischen Kirche in Deutschland. Dieser religiöse Antijudaismus resultiere aus der jüdischen Ablehnung Jesu als Messias und aus der Spiegelung dieser Konflikte im Neuen Testament. Aber Luthers Judenhass zeige zudem rassistische Züge ähnlich dem Antisemitismus im 20. Jahrhundert.

Achim Detmers untersuchte die Israel-Lehren und das Verhältnis der deutschen und Schweizer Reformatoren zum Judentum. Er hält im Zwinglihaus in Basel einen Vortrag zum Thema «Reformation und Antijudaismus». Waren auch Zwingli, Bullinger und Calvin frühneuzeitliche Antisemiten? «Die Schweizer Reformatoren teilen Stereotype über das Judentum und die Juden», so der reformierte Pfarrer. «Gleichwohl bleiben ihre Aussagen gemässigt».

Auf jüdische Gelehrte angewiesen
Huldrych Zwingli habe sehr viel Wert auf das Alte Testament gelegt. Er widmete sich dem Studium der Hebräischen Bibel und lehrte die Einheit des Alten und Neuen Testaments. «Da konnte er die Menschen, die in der jüdischen Tradition lebten, nicht ganz so einfach verdammen», sagt Detmers. Das Studium der hebräischen Sprache habe damals erst begonnen. «Die Reformatoren hatten wenig Fachwissen und waren auf jüdische Gelehrte angewiesen für das Verständnis des Alten Testaments.»

Zwingli stand in Kontakt mit dem jüdischen Arzt Mosche von Winterthur. Der Zürcher Reformator sei an jüdischer Theologie und Gelehrsamkeit interessiert gewesen, sagt Detmers. Prompt hätten ihm Kritiker vorgeworfen, seine reformatorische Theologie bei Juden gelernt zu haben. Zwinglis Nachfolger Heinrich Bullinger hingegen habe wahrscheinlich nur Juden gekannt, die zum Christentum konvertiert waren, so Detmers. Im Unterschied zu Zwingli äusserte sich Bullinger abschätzig über die Juden, machte sie verantwortlich für soziale Probleme, die sich durch ihren Wucher verstärken würden, und warf ihnen gotteslästerliches Tun vor.

Kritik an Luthers Hassschriften
Während Zwingli wie auch Calvin sich kaum mit politischen Massnahmen gegen Juden beschäftigten, riet Bullinger 1572 in einem Gutachten davon ab, Juden in einem christlichen Gemeinwesen aufzunehmen. «Ihre aktive Vertreibung forderte er jedoch nicht», betont Achim Detmers. Auch Luthers Hassschriften habe Bullinger abgelehnt. In einem Brief an den Strassburger Reformator Martin Bucer schrieb er: «Wer könnte das in überaus abscheulicher Weise geschriebene Buch [Luther]‚Vom Schem Hamphoras’ ertragen oder gutheissen? Wer erstarrt nicht im Hinblick auf jenen anmassenden und rücksichtslosen Menschengeist, der sich in ‚Von den letzten Worten Davids’ in unverschämter Weise gebärdet?»

Viele Predigten verbreiten alte Sicht
Seit den 1960er-Jahren distanzieren sich viele Kirchen vom Antijudaismus und von Luthers judenfeindlichen Aussagen. Doch der kirchenpolitische Konsens unterscheide sich von der Realität vieler Predigten, so die Erfahrung von Achim Detmers. Er erlebe in manchem Gottesdienst weiterhin eine grundsätzlich negative Sicht nach altem Muster auf das biblische und heutige Judentum. Darum sei es wichtig, Begegnungsräume zu schaffen, meint der Generalsekretär des Reformierten Bundes. «Kennt man jemand, redet man anders über ihn.»

Karin Müller, kirchenbote-online, 16. Januar 2018

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