Ein Abschied mit Weitblick
Klaus Hengstler stammt aus dem Schwarzwald, studierte Theologie in Tübingen und Fribourg und arbeitete zunächst im Luzerner Hinterland und in Zug als katholischer Theologe. Später war er Gemeindeleiter der Pfarrei St. Martin in Baar. «In der katholischen Kirche ist es üblich, nach zehn Jahren zu wechseln. Aber meine Frau und ich fühlten uns in Baar sehr wohl und wollten bleiben», erzählt er. Die freie Kirchenschreiberstelle bei der Reformierten Kirche Zug wurde zur Lösung. Obwohl er Katholik ist, wurde er 2012 als Kirchenschreiber angestellt – nicht zuletzt wegen seiner lokalen Vernetzung und seines kirchlichen Hintergrunds.
Der Ökumeniker
Ökumenisch dachte der 60-Jährige schon immer. «Ich bin vielleicht das Inbild eines Ökumenikers», sagt er lachend. «Berührungsängste hatte ich nie.» Die Unterschiede zwischen den Konfessionen lernte er dennoch kennen. «Die Reformierte Kirche ist unter anderem stark reglementiert. Manchmal habe ich gescherzt, wir seien die ‹evangelisch-reglementierte› Kirche.» Auch wenn er katholisch beheimatet ist und ihm diese Konfession immer noch näher steht, hat er über die vielen Jahre die reformierte Kirche kennen und schätzen gelernt. Es gebe kein Besser oder Schlechter. «Die Probleme und die Themen sind hüben wie drüben dieselben», stellte er fest.
Warum nun der Wechsel? «Ich bin bald 60 und wollte kürzertreten.» Seine neue Stelle als Kirchenschreiber der katholischen Landeskirche Nidwalden ist auf 60 Prozent ausgelegt – das wäre bei den Reformierten in Zug nicht so einfach möglich gewesen. Der Entscheid fiel ihm nicht leicht: «Ich verlasse ein vertrautes Umfeld, tolle Kolleginnen und Kollegen, einen spannenden Job. Aber die Aussicht auf mehr freie Zeit hat überwogen.»
Reformierte Prägungen
Die Arbeit in Zug hat ihn geprägt. «Ich habe eine sehr engagierte Kirche kennen gelernt. Menschen, die sich einsetzen, damit Kirche auch heute noch eine Rolle spielt.» Herausfordernd für ihn waren Personalfragen und das Zusammenspiel mit dem Grossen Kirchgemeinderat. «Dieser funktioniert wie das Kantonsparlament – das war am Anfang gewöhnungsbedürftig.»
Auch wenn er sich dessen bewusst ist, dass der Kirchenschreiber eine wichtige Rolle innerhalb der Kirche spielt, so hat er sich dennoch nie als «Chef» verstanden. «Wir in der Verwaltung arbeiten im Hintergrund, damit andere gute Bedingungen haben, die eigentliche Arbeit innerhalb der Kirche zu tun.»
Was nimmt er mit aus 13 Jahren Reformierte Kirche Kanton Zug? Eine neue Sicht auf Kirche – und auf sich selbst. «Ich bin sensibler geworden, vielleicht dünnhäutiger, aber auch gelassener.» Die Erfahrungen bei den Reformierten haben seine Perspektive erweitert: «Ich bin nicht mehr der Gleiche wie vor 13 Jahren. Ich werde immer mit der reformierten Kirche verbunden bleiben, auch als Katholik.» So sieht er sich auch als Teil der Kerngemeinde der Reformierten in Baar.
Wer kümmert sich um Menschen?
Für die Zukunft wünscht Hengstler der Reformierten Kirche Zug vor allem, dass sie Bestand haben möge: «Die Kirche muss sichtbar bleiben, Halt bieten, Orte der Stille und des Rückzugs.» Es brauche Kirche – vielleicht in anderer Form, in anderen Strukturen und anders organisiert, aber ihre Sinnhaftigkeit bleibe. «Denn: Wer kümmert sich sonst um Menschen in Not, um Kranke, Einsame, Trauernde?»
Trotz mehr Kirchenaustritten glaubt er an die Relevanz der Kirche. «Sie muss ein Teil der Gesellschaft sein – und zugleich ein Gegenpol. Eine Institution mit Haltung, die auch provozieren darf und sich besonders für Menschen am Rande starkmacht», schliesst der Kirchenschreiber, der die reformierte Kirche Zug per Ende Juni verlässt. Sein Nachfolger Andreas Busch tritt seine Stelle per 1. Juli an.
Ein Abschied mit Weitblick