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Garten Eden im Jura

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06.05.2016
Frühling ist Gartenzeit, auch im einzigen ökumenischen Bibelgarten der Schweiz im Kloster Beinwil im Kanton Solothurn. Hier auf der Jurahöhe bringt Polly Studer Pflanzen aus dem Alten und Neuen Testament zum Blühen.

Auf dem Esstisch der Familie Studer ist es im Moment eng. Dort steht Blumentopf neben Blumentopf, in denen die Samen aufgehen. Wenn die Sämlinge gekeimt haben, setzt sie Polly Studer in den Bibelgarten des Klosters Beinwil. Woche für Woche steht sie im Garten im Schatten des Kirchturms. Das ehemalige Benediktinerkloster, gegründet im 11. Jahrhundert, liegt idyllisch am Passwang auf 600 Metern. Eine ökumenische Gemeinschaft lebt dort und empfängt Besucher.

Das raue Klima des Juras entspricht nicht dem heissen, mediterranen von Israel. Trotzdem bringt Polly Studer zahlreiche biblische Gewächse zum Wachsen und Blühen. Mit Freiwilligen gräbt sie um, pflanzt, düngt und zieht die Pflanzen hoch. «Eine helfende Hand kann man immer gebrauchen», sagt sie. Manchmal kommt es im Garten zu spontanen Begegnungen. Etwa mit dem Pilger aus England, der Halt in Beinwil machte. Er war beeindruckt vom Bibelgarten. Kurzerhand errichtete er ein Gestell für die Bohnen. Der Pilger zog weiter, die Bohnen wuchsen prächtig.

Bibelgarten-Mekka Deutschland
In der Schweiz gibt es lediglich zwei Bibelgärten, jenen der katholischen Kirche Gossau SG und den ökumenischen in Beinwil. Das Land der Bibelgärten ist Deutschland. Von Flensburg bis München, von der Oberlausitz bis Aachen – auf der Karte der Webseite www.bibelgarten.com poppen Dutzende dichtgedrängte Reiter auf, die den Standort eines Bibelgartens anzeigen, während es im übrigen Europa ziemlich leer aussieht.

Auch Polly Studer liess sich in Deutschland inspirieren. Als sie den Bibelgarten im Kreuzgang des Bremer Doms besuchte, erkannte sie, dass biblische Pflanzen in unseren Breitengraden gedeihen. Die Idee für den Bibelgarten war geboren. Den geeigneten Platz fand sie in den Gärten des Klosters Beinwil.

Biblisches Unkraut
In einem Geviert zwischen Kirche, Klostermauer, Spiess- und Schwesternhaus wachsen heute Lorbeer, Rizinus, Senf, Kümmel, Oliven und Feigen, Weizen, Gerste, Flachs und vieles mehr. Feinsäuberlich sind die Beete beschriftet. Sogar Unkraut und Brennnesseln wuchern zwischen den Beeten, «auch sie kommen in der Bibel vor», sagt Polly Studer. Wer mehr wissen will, sollte die Ausstellung im Spiesshaus besuchen (www.beinwil.org).

Auf bibelgarten.com erfährt man alles über das Hegen und Pflegen biblischer Pflanzen. Die Gartengruppe «Flowerpower» wartet zudem mit einem reichen Angebot an Samen auf, die man bestellen kann. Hier bezieht Polly Studer ihr Saatgut. Das «Lutherpäckchen» zum Beispiel enthält Roggen, Weizen, Hafer, Gerste, Mohn, Bohne, Erbse, Feige, Granatapfel und Dattel. Was Archäologen an Speiseresten, Getreiden, Hülsenfrüchten und Fruchtkernen im ehemaligen Elternhaus Martin Luthers in Mansfeld und an weiteren Lebensstationen des Reformators in Wittenberg und Eisleben ausgruben, gibt Aufschluss darüber, was bei Familie Luther neben dem einheimischen Kohl auf den Tisch kam.

Einblick in die biblische Welt
Gerne führt Polly Studer die Besucher durch das botanische Reich. Dazu erzählt sie Biblisches, Kulturelles und Botanisches. Denn der Bibelgarten ist ein Zusammenspiel zwischen Bibel- und Pflanzenstudium. Das Alte und Neue Testament zählen 157 Pflanzen. Hinzu kommen noch unzählige mit kirchlichem Anklang, wie der Pfaffenhut, das Johanniskraut oder die Christrose. Studer hat etliche Fachbücher studiert. Mit Verwunderung stellte sie fest, dass Luther die Frucht im Garten Eden zum Apfel erklärte. Oder dass beim Reformator König Ahab den Weinberg von Naboth zum Kohlgarten umstechen wollte. Andere Übersetzungen sprechen von einem Gemüsegarten. Für Polly Studer ist klar, Luther wollte, dass die Menschen ihn verstanden, und im deutschen Gemüsegarten des 16. Jahrhunderts wuchs Kohl.

«Wer sich mit diesen Pflanzen beschäftigt, erhält einen Einblick in die biblische Welt», sagt Polly Studer. So erfuhr sie, dass das Manna «weiss wie Koriander» war. Die Zwiebeln, der Lauch und der Knoblauch in den Fleischtöpfen Ägyptens dienten als kräftigende Mahlzeit für die Pyramidenbauer. Und beim brennenden Dornbusch von Moses handelte es sich möglicherweise um einen Brombeerstrauch.

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Tilmann Zuber / Kirchenbote / 6. Mai 2016

 

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