«Junge brauchen Raum, um ihren Glauben zu entdecken»
Frau Gisin, Sie haben an der diesjährigen Herbstsynode erfolgreich eine Neuausrichtung der Fachstelle für Jugendarbeit (FaJu) beantragt. Was wird neu?
Katharina Gisin: Zum einen führen wir vierzig zusätzliche Stellenprozente ein. Das gibt unseren beiden fest angestellten Mitarbeitenden Ramona Marschall und Michael Dolensek mehr Handlungsspielraum. Die FaJu war bislang sehr zentralistisch organisiert. Sie organisierte Events, war aber mit den Kirchgemeinden wenig vernetzt. Das hatte zur Folge, dass viele Projekte trotz vorhandenem Budget nicht umgesetzt werden konnten.
Die Neuausrichtung basiert nun auf vier Säulen: Formatvielfalt, Anbindung, Jugendbewegung und Umsetzungskraft. Zur Formatvielfalt gehören Ferienlager, musikalische Angebote, Gottesdienste oder auch die Communi-App, mit der sich Menschen in einer Gemeinde vernetzen können. Kurz: Die grosse Vielfalt, die im Rahmen der Kantonalkirche bereits besteht, soll gefördert und koordiniert und enger an die Kirchgemeinden gebunden werden.
Das fliesst vermutlich auch in die Säule der Anbindung hinein?
Genau. Lange Zeit sassen wir mit unseren Angeboten in Liestal und haben darauf gewartet, dass die Kirchgemeinden zu uns kommen. Jetzt haben wir es umgedreht. Wir gehen zu den Kirchgemeinden hin, hören zu und unterstützen die Ideen, die sie haben. Wir möchten Gefässe schaffen, in denen sich die verschiedenen Vertreter und Vertreterinnen regelmässig treffen können. Auch Ferienlager sollen wieder vermehrt zum Angebot der Kirchgemeinden gehören und nicht mehr Sache der Kantonalkirche sein.
Mit der Säule «Jugendbewegung» suggerieren Sie, dass Jugendliche nicht nur Angebote konsumieren, sondern selbst aktiv werden sollen.
Kirchliche Jugendarbeit befähigt junge Menschen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Ein gutes Beispiel dafür ist der 2022 gegründete Jugendrat, der periodisch neu gewählt wird. Dazu kommen Events wie Refine, ein christliches Festival der reformierten Kirchen der Deutschschweiz, das dieses Jahr von 1800 Jugendlichen besucht wurde und 2027 in Arlesheim stattfinden wird. Da kommt auch die Umsetzungskraft rein: Die FaJu soll Strukturen schaffen, Grossanlässe koordinieren, sie soll eine Materialstelle bieten und die Kirchgemeinden vernetzen.
In Ihrem Konzept verzichten Sie bewusst darauf, konkrete Ziele zu nennen. Mit welchem Grund?
Ziele können sehr einschränkend wirken. Wir wollen der Jugendarbeit mehr Freiraum geben, uns auf Prozesse einlassen, mehr ausprobieren. Wichtiger als ein Ziel ist unser Fundament. Am Anfang der Präambel unserer Kirchenverfassung steht: «Ein anderes Fundament kann niemand legen als das, welches gelegt ist: Jesus Christus.» Darauf möchten wir uns immer wieder rückbesinnen.
Was haben Jugendliche denn eigentlich für Bedürfnisse und Erwartungen an die Kirche?
Jugendliche denken nicht in der Dimension einer Kantonalkirche. Aber ich erlebe ein grosses Bedürfnis nach Spiritualität und dem Thematisieren ihres Glaubens. Wir leben in einer Zeit, die uns alle stark überfordert: die Schnelllebigkeit von Fake News, Nachrichtenmeldungen von Krieg und Katastrophen, KI ... Junge Menschen brauchen einen Raum, in dem sie ihren Glauben entdecken können. Die Kantonalkirche muss ihre Aufgabe wahrnehmen und sie auf ihrer Suche begleiten, ihnen einen sicheren Boden bieten, wo sie sich mit ihren Fragen sicher fühlen.
Das braucht auch viel Kreativität seitens der Kirchgemeinden. Wie kann die FaJu sie unterstützen?
Genau da liegt das Problem: Vielen Kirchgemeinden fehlen entweder die Ideen oder die Ressourcen – oder beides. Die Aufgabe der FaJu ist es, sie zu inspirieren, ihnen aber nichts überzustülpen, was sie nicht umsetzen können. Mit dem Konzept «FaJu 30» können wir auf ihre Wünsche eingehen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Was viele zum Beispiel nicht wissen, ist, dass es einen Innovationsfonds gibt – eine gute Idee muss also nicht an einem kleinen Budget scheitern. Ich sehe auch bereits sehr innovative Lösungsansätze in kleinen Gemeinden. Diegten-Eptingen hat zum Beispiel mit Tenniken-Zunzgen einen gemeinsamen Jugendarbeiter angestellt. Genau so sieht Vernetzung und Zusammenarbeit aus!
«Junge brauchen Raum, um ihren Glauben zu entdecken»