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Sozialdiakonin Suzie Fuchs

Ohrwürmer unter dem Zeltdach

von Carole Bolliger
min
26.06.2025
Wenn im Ägerital im Sommer wieder das Zeltlager aufgebaut wird, ertönen nicht nur Kinderlachen und Anfeuerungsrufe, sondern auch die von Suzie Fuchs verfassten Lieder. Seit 22 Jahren ist sie Sozialdiakonin der reformierten Kirche Ägeri.

Seit über 20 Jahren komponiert und schreibt Suzie Fuchs für die Sommerlager der reformierten Kirche Ägeri eigenhändig Lieder, die weit über den Camp-Alltag hinaus im Gedächtnis bleiben. Viele Songs sind inzwischen entstanden, vom Ohrwurm «Wegweiser» bis hin zu tiefgründigen Stücken wie «Reis», das den Weg von der Geburt bis zum Lebensende umfasst. In jedem Akkord liegt für die Sozialdiakonin ein eigener Auftrag: Beziehungen zu stärken, Kinder ins Singen zu bringen und christliche Werte mit zeitgemässen Bildern zu verbinden.

Die Idee für das Sommerlager wurde 2005 erstmals konkret: ein mehrtägiges Zeltlager statt einzelner Tagesangebote. Die Nachfrage war so rege, dass aus dem anfänglichen Übernachtungszelttag rasch eine grosse Gemeinschaft wurde. Heute betreut Suzie Fuchs bis zu 70 Kinder und Jugendliche gemeinsam mit einem Leitungsteam – darunter fast nur ehemalige Teilnehmende, die heute als Jungleiter oder Leitpersonen mit dabei sind.

Zusammenarbeit mit Texter als Erfolgsrezept

Doch ohne Musik wäre dieses Lager nur halb so lebendig. Schon in ihrer Kindheit prägte der Gesang das Familienleben: Volkslieder in der Alphütte der Gross­eltern, das gemeinsame Musizieren zu Hause ohne professionellen Anspruch: «Wir waren ein wandelndes Volksliederlexikon», sagt sie lachend. Als Suzie Fuchs merkte, dass eine Pfadigruppe ihre Songs instrumentierte, war der Funke für eigene Kirchenlieder entfacht. Ein Probewochenende mit anderen Musikern wurde zum Meilenstein: Das Thema «Wegweiser» – es war das Thema des allerersten Sommerlagers – wurde in einer Stunde gemeinsam besprochen, ein Text entstand, die Melodie nahm Form an.

Seither ist die Zusammenarbeit mit ihrem Texterkollegen Stefan Born das Erfolgsrezept. Er benötigt nur eine Skizze, was Suzie Fuchs vermitteln möchte, um stimmige Strophen zu texten. Und sie schreibt dann die Melodie dazu. So entstanden bislang 20 Songs, die im Liederheft, zum Teil auf CD und mit Illustrationen versehen, sind. Manche Lieder wie «Wegweiser» würden bis heute von den Eltern und in den Gottesdiensten gesungen, freut sich die leidenschaftliche Musikerin.

Ein Gefühl der Gemeinschaft

Die Themenwahl der Lieder und Lagermottos ist bewusst breit. Sie reicht von alltäglichen Fragen bis hin zu Zukunfts­utopien. Das Thema des diesjährigen Lagers «Und jetzt?» erkundet spielerisch, wie eine neue Welt aussehen könnte: Was behält man von der Erde, was lässt man hinter sich? Dabei versteht die Sozialdiakonin das Sommerlager als einen Ort, an dem Kinder ausprobieren dürfen, mal Dinge anders zu gestalten. Die Lieder sind so geschrieben, dass sie universell bleiben: Sie sind nicht ausschliesslich christlich. «Sie können von allen gesungen werden, ob Christ, Muslim oder solche, die nicht an Gott glauben, aber spüren, dass da mehr ist.» So wird aus dem Lied «Der zweite Blick» eine Reflexion über Vorurteile, während der Song «Reis» den Lebensweg von Geburt bis Tod umfasst und sogar Erwachsene zu Tränen rührt.

Schon als Jugendliche wusste Suzie Fuchs, dass sie sich «irgendwie im sozialen Bereich» engagieren wollte. Im Gospelchor, den sie mit 17 Jahren in ihrer Gemeinde Ägeri gründete, lernte sie Form, Rhythmus und Gemeinschaft zu schätzen. Ihre berufliche Laufbahn begann jedoch ganz anders: Nach einer Ausbildung zur Sachbearbeiterin und einem kurzen Zwischenstopp in der Rohölbranche suchte sie nach Sinnhaftigkeit. 2003 ergab sich die Chance, in die neu geschaffene 50-Prozent-Projektstelle Sozialdiakonie in der reformierten Kirche Ägeri «einfach einzusteigen». Es war, wie sie selbst sagt, «eine ziemlich grüne Wiese» – viele Entscheidungen lagen noch im Dunkeln, und ihr eigener Hintergrund mit Musikprojekten kam gerade recht.

Aus Teilnehmenden werden Leitende

Was sie seither motiviert, ist die Freude an der Begegnung: Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit zu sehen, Beziehungen zu begleiten und jungen Generationen Raum zu geben, sich selbst zu entdecken. «Die Arbeit mit den Menschen macht mir genauso viel Spass wie am ersten Tag, vielleicht sogar noch mehr, weil ich jetzt noch mehr Werkzeuge habe und mich ganz auf die Menschen konzentrieren kann.» Dass sie in Ägeri selbst konfirmiert wurde, verstärkt diesen Bezug: Viele Junge, die sie vor Jahren als Kleinkinder auf dem Arm hielt, begegnen ihr jetzt als Teilnehmende oder Hilfsleitende im Sommerlager. «Zu sehen, was aus den Menschen wird, wenn man sie jahrelang begleitet, ist ein Geschenk.»

Für sie ist die Sozialdiakonie nicht nur Beruf, sondern Berufung. Als Fundament dient ihr der Glaube als eine Quelle der Resilienz. Sie sieht die Spiritualität als eine Ressource – gerade heute, wenn das Weltgeschehen herausfordere, könne man daran anknüpfen. «Wir verändern die Welt vielleicht nur ein bisschen, aber es beginnt im Kleinen. Wenn Menschen sagen, sie fühlten sich hier angenommen und könnten ihre Stärken entfalten, dann beginnt das Kreise zu ziehen.» Gemeinsames Singen und Spielen gibt Kindern mehr als nur Ferienaufenthalt: «Es ist ein Gefühl von Gemeinschaft, eine Universalsprache, die trägt», schliesst Fuchs.

 

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