Pilotprojekt Gesundheitsseelsorge startet – mit reduziertem Budget
Noch bevor Synodepräsident David van Welden die Sitzung eröffnete, machten zwei Gäste deutlich, wie dringend Seelsorgeangebote heute benötigt werden: Klaus Rütschi, Geschäftsführer der Dargebotenen Hand Zentralschweiz, und Caroline Kiemler, Pflegeexpertin Palliative Care der Spitex Stadt Luzern.
Rütschi betonte die wachsende Bedeutung der Chatseelsorge. Die Nachfrage steige rasant – Chats dauerten im Schnitt dreimal länger als Telefongespräche, verlangten hohe Konzentration und viel Aushalten. «Im Chat fallen Hemmungen; viele Menschen schreiben ihre Sorgen lieber anonym», so Rütschi. Besonders bei Jugendlichen sei die Belastung hoch: Acht Prozent im Chat hätten Suizidgedanken, doppelt so viele wie bei den Erwachsenen.
Dank der finanziellen Unterstützung und der gemeinsamen Gewinnung von Freiwilligen durch die Reformierte Kirche habe die Dargebotene Hand ihre Kapazitäten zwar verdoppelt. «Aber über 60 Prozent der Ratsuchenden erhalten in Spitzenzeiten immer noch keine Beratung», hielt er fest. Gleichzeitig erinnerte er die Synodalen daran, dass Seelsorge Nähe, Zeit und menschliche Zuwendung brauche – Dinge, die kein Handy ersetzen könne. (Lesen Sie in der Printausgabe vom Dezember das Interview mit Klaus Rütschi)
Palliative Care im Wandel
Caroline Kiener zeigte auf, wie stark die Gesundheitsversorgung im Umbruch steht und weshalb eine institutionalisierte Gesundheitsseelsorge Akutbereich notwendig sei. Oft gelinge es heute nicht, sterbenden Menschen rechtzeitig eine seelsorgerliche Begleitung zu ermöglichen. Ein fester Seelsorgeanteil im Palliativteam könne hier «einen entscheidenden Unterschied» machen.
Sie verwies auf Erfahrungen aus Zürich, Bern und dem Hospiz Zentralschweiz, wo deutlich höhere Seelsorgepensen etabliert sind. Viele Leistungen des Brückendienstes seien nicht durch Versicherungen gedeckt und müssten über Spenden finanziert werden – auch deshalb brauche es stabile Kooperationen wie etwa das Projekt Gesundheitsseelsorge der Reformierten Kirche Kanton Luzern. Die Kirche würde dabei eine seelsorgerliche Fachperson im 30%-Pensum anstellen.
Analyse und ausgewiesener Bedarf
Der Synodalrat hat in einem detaillierten Bericht und Antrag den Bedarf ausgewiesen und zudem die Mitwirkung sowie Befragungen aufgezeigt. So gab es eine Studie von gfs.bern zur Seelsorge, der Synodalrat besuchte 2024 alle Kirch-und Teilkirchgemeinden bei der Visitation zur Seelsorge, führte öffentliche Grossgruppenkonferenzen durch und hat Spezialseelsorgende einbezogen. Für den Start 2026 gab es eine Aufstellung mit Verteilung der Stellenprozente für den bereits vorhandenen Bedarf in den Bereichen Palliative Care, Anfragen aus Letzte Hilfe Kursen, institutionelle Anfragen wie aus der Triage von Die Dargebotene Hand und auch für Anfragen, welche über Telefon oder Formular eintreffen. Für das Pilotprojekt, das nächstes Jahr starten soll und drei Jahre dauert, beantragte der Synodalrat der Synode deshalb einen Kredit über 540'000 Franken.
Rückweisungsanträge und Kritik am Konzept
Im zentralen Traktandum stellte die GPK zunächst den Antrag, das Projekt an den Synodalrat zurückzuweisen. Es fehlten ein nachvollziehbarer Umsetzungsplan, konkrete Messgrössen und eine vertiefte Rückmeldung aus den Kirchgemeinden. Zudem stelle sich die Frage, ob eine Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche sinnvoll wäre und weshalb die Reformierte Kirche ein Angebot für die gesamte Bevölkerung finanzieren solle.
Mehrere Fraktionen schlossen sich der Kritik an: Die Stadtfraktion empfand das Projekt als zu unausgereift, die Zusammenarbeit mit Gemeinden zu wenig ersichtlich. Die religiös-soziale Fraktion wollte das Projekt zurückweisen mit dem Auftrag, eine «neue, schlankere Lösung» zu prüfen und die Agglomeration hätte das Projekt grundsätzlich unterstützt, fand aber die Kosten «klar zu hoch». Die Landfraktion signalisierte hingegen als einzige Fraktion mehrheitliche Unterstützung für das Vorhaben.
Ein Ordnungsantrag führte zunächst zu einer kontroversen Situation: Obwohl dieser eigentlich keine Diskussion vorsieht, meldeten sich zahlreiche Synodale zu Wort. Mit 22 zu 26 Stimmen lehnte die Synode die Rückweisung schliesslich knapp ab – der Weg war frei für die Sachdebatte.
Verteidigung des Projekts: «Wir haben abgeklärt – und wir wollen starten»
Lilian Bachmann, Präsidentin des Synodalrats und Projektleiterin, hielt ein engagiertes Plädoyer für die Gesundheitsseelsorge. Die Bedürfnisse seien klar: Die Gesundheitsversorgung verschiebe sich rasant von stationär zu ambulant. «Über 90 Prozent unserer Mitglieder haben kaum Kontakt zu einer Kirchgemeinde. Wenn sie Seelsorge brauchen, wissen sie gar nicht, an wen sie sich wenden können», betonte sie.
Die umfassende Analyse zeige, dass es ein gemeindeübergreifendes, niederschwelliges Angebot brauche. Die dreijährige Pilotphase sei finanziell und zeitlich begrenzt, das Risiko klein, der Nutzen gross.
Kostenstreit und Kompromiss
Während die meisten Synodale grundsätzlich von der Notwendigkeit des Projekts überzeugt waren, sorgten die Kosten von 540'000 Franken über drei Jahre für deutliche Kritik. Ein ehemaliger Psychiater unter den Synodalen warnte vor einer Budgetkürzung und brachte ein, dass das Projekt sehr gut ausgearbeitet sei. Weiter wollte er das Projekt nicht «kaputtplanen» – manchmal müsse man einfach starten.
Die GPK und die Fraktion Agglomeration beantragten, den Kredit auf 300'000 Franken zu reduzieren. Mit 31 zu 12 Stimmen bei 5 Enthaltungen folgte die Synode diesem Vorschlag. Die Schlussabstimmung über das – entsprechend angepasste – Projekt fiel deutlich aus mit 39 Ja-Stimmen.
Ja zur Zukunft und zur Gesundheitsseelsorge
Zum Abschluss der Sitzung zeigte sich Lilian Bachmann erleichtert – trotz der deutlichen Budgetkürzung. Es sei vor allem ein positives Signal, betonte sie: Die Synode habe der Gesundheitsseelsorge zugestimmt und damit Vertrauen in ein innovatives Projekt gezeigt. «Das ist natürlich eine grosse Freude», sagte Bachmann. Zugleich habe sie Verständnis dafür, dass es für den ursprünglich beantragten Kredit «etwas mehr Mut gebraucht hätte». Dennoch überwiege für sie das Grundsätzliche: «Es ist ein Ja zur Zukunft und zur Gesundheitsseelsorge.»
Der reduzierte Kredit bedeute, dass das Projekt mit klaren Priorisierungen starten müsse. Man werde sehen, wie es anlaufe. «Aber wir sind zuversichtlich und sehr erfreut, dass wir nun starten können», so Bachmann. Und: Ganz praktisch gehe es rasch weiter – «wie geplant geht es nächsten Montag los», sagte sie mit sichtbarer Vorfreude.
Budget 2026 einstimmig verabschiedet
Weitaus weniger Diskussionsstoff bot das restliche Budget. Einige Punkte wurden jedoch angepasst: So soll die geplante GFS-Umfrage mit einem Budget von 35'000 Franken erst im Jahr 2027 durchgeführt werden. Zudem fand ein budgetierter Betrag von 15'000 Franken für ein Kita-Konzept zur familienergänzenden Betreuung wenig Zustimmung. Der Antrag zur Verschiebung der GFS-Umfrage hingegen wurde angenommen. Nach diesen Anpassungen wurde das Gesamtbudget für 2026 schliesslich einstimmig verabschiedet.
(Lesen Sie das ausführliche Interview zum Projekt Gesundheitsseelsorge mit Synodalratspräsidentin Lilian Bachmann in der Januar-Print-Ausgabe des Kirchenboten)
Pilotprojekt Gesundheitsseelsorge startet – mit reduziertem Budget