Religionsunterricht: Kinder finden hier eigene Antworten aufs Leben
«Konfessioneller Religionsunterricht im Kanton vor dem Aus» und «Wer erklärt das Christentum?» titelte das «Oltner Tagblatt» kürzlich. Im Kanton Solothurn ist der Religionsunterricht an den Schulen zum Politikum geworden. Der Regierungsrat prüft derzeit, ob er den konfessionellen Unterricht durch einen neutralen Religionsunterricht ersetzen soll. Anders als die meisten Deutschschweizer Kantone hat Solothurn das Fach «Ethik, Religion, Gemeinschaft» im Rahmen des Lehrplans 21 noch nicht eingeführt.
Hanspeter Lichtin ist Ausbildungsleiter von «OeKModula» das die Katecheten der Landeskirchen in der Nordwestschweiz ausbildet. Für ihn haben beide Modelle ihren Platz. Es sei sinnvoll, dass Schulen die Verantwortung für die religiöse Grundbildung übernehmen, während andererseits die Kirchen engagierte und gut ausgebildete Fachkräfte stellen.
Religionsunterricht hilft den Kindern, unsere Kultur zu verstehen.
Praxisnahe Ausbildung
Die Ausbildung bei «OeKModula» zur Katechetin oder zum Katecheten dauert drei Jahre und umfasst elf Module. Die Lektionen sind praxisnah und vielfältig. Von Beginn an lernen die Absolventen, den Unterricht Schritt für Schritt zu gestalten. Sie erwerben Wissen über Bibel, Liturgie und die Kirchen. «OeKModula» arbeitet ökumenisch; acht reformierte, katholische und christkatholische Kirchen aus der Nordwestschweiz bilden den Verbund.
Die Absolventen bringen unterschiedliche Biografien und Berufe mit. Ein Grossteil sind Frauen, die nach der Familienphase nicht in ihren angestammten Beruf zurückkehren wollen. Sie möchten verstärkt mit Kindern arbeiten.
40 Prozent der Kinder
Ein häufiger Kritikpunkt am konfessionellen Unterricht: Laut einer Umfrage des Schulleiterverbands besuchen nur noch etwa 40 Prozent der Schülerinnen und Schüler das Angebot. Hanspeter Lichtin kann diese Zahlen nicht bestätigen. In Baselland kennt er Gemeinden, in denen 90 Prozent der Kinder am Religionsunterricht teilnehmen – obwohl nur 60 Prozent einer Landeskirche angehören. Entscheidend sei, wie offen Kirche und Schule sind, wie sie nichtchristliche Kinder einbeziehen und wie sehr die Schulleitung das Fach unterstützt.
Das Interesse an Religion sei bei Kindern und Jugendlichen auch heute lebendig, sagt der Theologe. «Kinder sind offen und neugierig.» Trotz Säkularisierung stellen sie die gleichen Fragen: Wer ist Gott? Warum gibt es das Böse? Was passiert, wenn die Katze oder der Opa stirbt? Die Mischung von christlichen, muslimischen Kindern und solchen ohne religiösen Hintergrund führt zu spannenden Diskussionen, berichtet Lichtin.
Vielen Kindern fehlt die soziale Kompetenz. Die Katechetinnen müssen zeigen, was Rücksichtnahme bedeutet.
«Verständnis für unsere Kultur»
Der Religionsunterricht vermittelt Wissen über religiöse Symbole, Sprache und Werte. «Das hilft den Kindern, unsere Kultur zu verstehen», sagt Lichtin. Dazu kommen Werte wie Toleranz und Solidarität. Gerade in einer Gesellschaft mit verschiedenen religiösen Haltungen sei das wichtig. Der Religionsunterricht erleichtert es Kindern und Jugendlichen, sich zu orientieren und eigene Antworten fürs Leben zu finden.
In den letzten zwanzig Jahren ist der Unterricht schwieriger geworden. Vielen Kindern fehlt soziale Kompetenz. Die Katechetinnen müssen zeigen, was Rücksichtnahme und Solidarität bedeuten und dass man nicht mobbt oder schlägt. «Es fehlt an diesen Grundkompetenzen», stellt Hanspeter Lichtin fest. Das sei ein Problem in vielen Schulen. Er sieht die Ursache in der Erziehung: Eltern setzen oft keine moralischen Massstäbe und scheuen sich, Grenzen zu setzen. Hier sieht Lichtin eine Chance für den Religionsunterricht. Er hilft Kindern und Jugendlichen, soziale Kompetenzen zu entwickeln und rücksichtsvollen Umgang einzuüben.
Religionsunterricht: Kinder finden hier eigene Antworten aufs Leben