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Begleitung am Lebensende

«Spiritual Care ist die Herzkammer des Hospizes»

von Carole Bolliger
min
25.09.2024
Im Hospiz Zentralschweiz spielt die spirituelle Betreuung von Sterbenden eine zentrale Rolle. Patricia Mantz, Verantwortliche für Spiritual Care, und Andreas Haas, reformierter Pfarrer und ehemaliger Präsident der Stiftung, geben Einblicke in den innovativen Ansatz der Sterbebegleitung.

Was genau versteht man unter Spiritual Care, und wie unterscheidet sie sich von klassischer Seelsorge?

Patricia Mantz: Spiritual Care ist eine ganzheitliche Begleitung, die weit über religiöse Aspekte hinausgeht. Wir bieten einen Raum für alle Fragen und Themen, die Menschen am Lebensende beschäftigen – seien es Ängste vor dem Unbekannten, ungelöste familiäre Konflikte oder die Suche nach dem Sinn. Es geht darum, den Menschen in seiner Ganzheit wahrzunehmen und ihm bei seiner inneren Reise beizustehen.

Andreas Haas: Das Innovative an unserem Ansatz ist die Kombination von traditioneller Seelsorge mit modernen psychotherapeutischen Elementen. In einer zunehmend säkularen Gesellschaft müssen wir neue Sprach- und Ritualformen finden, um die vielfältigen spirituellen Bedürfnisse der Menschen aufzugreifen. Das Hospiz bietet uns dafür eine Art Labor.

Welche Rolle spielt Spiritual Care im Hospiz Zentralschweiz?

PM: Sie ist die Herzkammer unseres Hospizes, die Essenz des Hauses. Ohne Spiritual Care wären wir einfach eine bessere Palliativabteilung. Mit Spiritual Care sind wir ein Hospiz. Es geht nicht nur um den Tod, sondern darum, zu leben und die letzte Lebensphase zu gestalten. Menschen auf diesem Weg begleiten zu dürfen, ist eine schöne Aufgabe.

Wie gehen Sie konkret mit den Ängsten und Fragen der Sterbenden um?

PM: Oft erlebe ich, dass die Menschen in einen inneren Prozess gehen, bei dem äussere Dinge an Bedeutung verlieren. Wir begleiten sie dabei, ohne vorgefertigte Antworten zu liefern. Es geht viel mehr darum, präsent zu sein und ihre Unsicherheiten mit auszuhalten. «Habe ich genug gelebt?», «Was habe ich verpasst?» sind häufige Fragen, die sich Sterbende stellen.

AH: Als Seelsorgende müssen wir bereit sein, uns auf den Weg mit den Patienten und den Angehörigen einzulassen. Es ist wichtig, dass wir selbst verwurzelt sind und unsere eigenen Unsicherheiten kennen. Nur so können wir authentisch begleiten.

Andreas Haas, Sie engagieren sich stark im Bereich Hospiz und Spiritual Care. Wieso ist es Ihnen persönlich ein Anliegen?

AH: Es ist mir ein grosses Anliegen, weil wir hier im Hospiz Zentralschweiz etwas ausprobieren können, was auch für die Kirche und unsere Gesellschaft wichtig ist. Nicht nur in Spitälern, sondern auch im Gemeindeleben sollte Spiritual Care vermehrt vorkommen. Die Menschen haben ein grosses Bedürfnis nach Ritualen und Sinnstiftung. Aber die alte Sprache der Kirche wird nicht mehr verstanden. Die Kirche muss Wege finden, die Sprache der Spiritualität – Worte und Rituale – zu verändern.

Sind denn die Kirchen für diese Veränderung bereit?

AH: Ich kann nur für die Zuger Kirchen sprechen und ja, diese sind bereit. Sonst würden sie die Spiritual Care im Hospiz Zentralschweiz nicht finanzieren. Seelsorge und Spiritual Care ergeben zusammen eine 100-Prozent-Stelle. Die Spiritual-Care-Stelle ist zurzeit nur möglich dank der Zuger Landeskirchen.

Eine wichtige Rolle im Hospiz Zentralschweiz hat der Raum der Stille. Welche Funktion hat er?

AH: Der Raum der Stille ist ein Symbol für unseren Ansatz. Er ist bewusst leer gehalten, um Platz für die individuellen spirituellen Bedürfnisse aller Patienten zu bieten. Er soll ein Bild unseres inneren Seelenraums sein – ein Raum, der in der Leere voll ist.

Wird Spiritual Care von Patienten und Angehörigen angenommen?

PM: Wir erhalten sehr viele positive Rückmeldungen. Viele beschreiben das Hospiz als einen Ort, an dem sie zur Ruhe kommen können. Die erhöhte Nachfrage seit der Eröffnung im Januar 2020 führte auch beim Angebot der Spiritual Care zu einer Erhöhung von etwa 10 Prozent. Für Angehörige geht es oft darum, Orientierung in einer schwierigen Situation zu finden. Wir helfen ihnen, den bevorstehenden Verlust einzuordnen und einen Weg durch die Trauer zu finden. Dabei betonen wir, dass Tränen in der Trauer wie Perlen der Liebe sind – man weint nur um Menschen, die man gernhatte.

AH: Klarheit und die Möglichkeit, bewusst Abschied zu nehmen, sind für Angehörige und Patienten hilfreich. Es geht darum, die verbleibende Zeit als kostbar wahrzunehmen.

 

Das Hospiz Zentralschweiz

Das Hospiz Zentralschweiz bietet Platz für 12 Personen. Im vergangenen Jahr haben die Mitarbeitenden 161 Personen begleitet. Eine grosse Herausforderung für die Institution ist die Finanzierung. Bisher kennen die Kantone der Zentralschweiz nur Spitäler und Pflegeheime. Damit die Hospizpatienten zeitlich unbefristet im Haus bleiben können, hat das Hospiz den sogenannten Pflegeheimstatus. Weil aber die Finanzierung als «Pflegeheim» die Kosten nicht deckt, muss die Stiftung rund eine Million Franken pro Jahr über Spenden decken. Um künftig die Patienten vom Privatkostenanteil eines Pflegeheims zu befreien und das Defizit etwas zu verringern, wurde eine entsprechende Motion beim Kanton Luzern eingereicht.

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