Trotz Lockdown gemeinsam Gott feiern
Im zweiten Corona-Lockdown sind Läden, Restaurants und Kultureinrichtungen erneut geschlossen, was grosse wirtschaftliche Not zur Folge hat. Anders als im Frühling ist es aber den Religionsgemeinschaften nun erlaubt, für Gottesdienste und religiöse Feiern bis zu 50 Personen unter ihrem Dach zu versammeln. In den Kantonen Nidwalden und Tessin liegt die Obergrenze bei 30.
Klar ist: Die Kirchen sind sich ihrer Verantwortung bewusst. Das zeigt ein Blick auf die Empfehlungen der kantonalen Kirchenleitungen. Synodalrat und Generalvikariat der katholischen Kirche im Kanton Zürich zum Beispiel mahnen zur Zurückhaltung. Pfarreien sollen genau überprüfen, ob aufgrund der Schutzkonzepte und der örtlichen Rahmenbedingungen ein Gottesdienst mit bis zu 50 Teilnehmenden noch vertretbar sei. «Keine Gottesdienste um jeden Preis», heisst es in der Mitteilung.
Auch der reformierte Zürcher Kirchenrat empfiehlt, in den Gemeinden sorgfältig zu prüfen, ob Gottesdienste verantwortbar seien. Es gelte auch, in Erwägung zu ziehen, auf die mehrfache Durchführung von Sonntagsgottesdiensten zu verzichten oder auf Online-Angebote auszuweichen.
Wenige verzichten
Bis jetzt aber nutzen die meisten Gemeinden den vom Bundesrat gewährten Spielraum. Dieser gilt im Übrigen nur für religiöse Feiern. Alle anderen Aktivitäten wie kirchlicher Unterricht oder Bildungsveranstaltungen sind nicht mehr möglich.
«Wir in Küsnacht sind wohl die Ausnahme», sagt Pfarrer Andrea Marco Bianca. Ähnliches weiss er nur von Uetikon am See. Schon im November hat die Küsnachter Kirchenpflege beschlossen, bis Weihnachten Sonntagsgottesdienste nur noch online anzubieten. «Unsere Kirche ist zwar gross und so gesehen wohl auch ziemlich sicher», bemerkt Bianca. Zum Entscheid habe aber unter anderem geführt, dass die Leute anreisen müssten, dies im Kirchenbus nicht unbedenklich sei, und es doch recht vielen Besucherinnen und Besuchern ein Bedürfnis gewesen sei, nach dem Gottesdienst noch zusammenzustehen.
Neue Erfahrungen
Nach den sieben Weihnachtsgottesdiensten in der Küsnachter Kirche hat man angesichts immer noch hoher Fallzahlen entschieden, vorerst wieder nur online zu feiern. Negative Reaktionen habe es wenige gegeben, sagt Bianca. Wie es die Kirchenordnung vorsieht, können die Gemeindemitglieder nun jeden Sonntag einen Gottesdienst ihrer Pfarrerin, ihres Pfarrers erleben - per Video. Bianca ist zugleich auch Mitglied des Zürcher Kirchenrates. Er zitiert aus dem für ihn entscheidenden Artikel 31: «Gottesdienst kann überall gefeiert werden, wo der kirchliche Auftrag wahrgenommen wird.» Dies sei im Internet, in einer diesem Medium entsprechenden Form, gut möglich. «Jede Woche wird zudem ein Brief an Gemeindemitglieder ohne Internet-Zugang verschickt», fügt Bianca an.
Er sieht in Online-Gottesdiensten auch Vorteile: «Es nehmen mehr Menschen teil und ich erhalte viele Reaktionen von Leuten, die normalerweise nicht in die Kirche kommen.» Daraus entwickle sich eine neue, erweiterte Form von christlicher Gemeinschaft. «Es haben sich sogar mehr Gelegenheiten für Seel- und Sozialsorge ergeben als nach einem Offline-Gottesdienst.»
Wichtige Gemeinschaft
Die Berner Kirchgemeinde Frieden dürfte ebenfalls eine von den wenigen im Kanton sein, die auf reguläre Gottesdienste verzichtet. Die Stadtberner Kirche steht zwar Hilfe- und Trostsuchenden weiterhin offen, gefeiert wird aber nur noch online.
Ein Blick in die Region Basel zeigt Ähnliches. Ihr sei im Moment keine Kirchgemeinde bekannt, die völlig auf Online-Gottesdienste umgestellt habe, sagt Stephanie Krieger, Informationsbeauftragte der reformierten Kirche Baselland. «Doch der Umgang mit der Pandemie wird bei uns laufend diskutiert.» Man nehme die Verantwortung sehr ernst und sei sich bewusst, als Kirchen im Moment ein Privileg zu haben. Krieger betont aber auch: «Für viele Menschen ist der Gottesdienst im Moment die einzige Möglichkeit, Gemeinschaft, Stärkung und Trost zu erfahren.
Individuelle Schutzkonzepte
Das sieht Niklaus Peter genauso. Der Pfarrer am Zürcher Fraumünster sagt: «In einer Krise haben die Kirchen die Aufgabe, Orientierung und Trost zu spenden.» Diesem Auftrag freiwillig Klammern zu setzen, zeugt für ihn von einem Identitätsproblem der Kirchen. Aus Erfahrung glaubt er: «Die gerade in einer Ausnahmesituation so wichtige Seelsorge ergibt sich fast immer aus der Begegnung im Gottesdienst.»
Peter hat sich schon im Juni, als die Kirchen nach dem ersten Lockdown wieder geöffnet wurden, intensiv mit einem fürs grosse Fraumünster passenden Schutzkonzept befasst. Sofort hat er zum Beispiel Sonntagsgottesdienste nur auf Anmeldung, dafür aber mehrfach angeboten. «Wir haben viel Aufwand betrieben, unser Sigristenteam zum Beispiel nimmt die Abstands- und Hygieneaufgaben enorm ernst». Für ihn ist klar: Er will sich auch weiterhin vor allem an die Vorgaben des Bundesrates halten, die als generelle Regeln sinnvoll sind, aber in kleinen Kirchenräumen anders umgesetzt werden müssen, als in grossen wie im Fraumünster.
FFP-2 Maskenpflicht
Wie im Fraumünster mangelt es auch in der Synagoge der Israelitischen Cultusgemeinde (ICZ) in der Zürcher Innenstadt nicht an Platz. Dennoch hat die Gemeinde, als die Corona-Fallzahlen und die Todesfälle Ende Oktober sehr stark stiegen, vier Wochen lang freiwillig auf Gottesdienste und Veranstaltungen verzichtet. «Die Wucht der zweiten Welle hat uns erschreckt», sagt Jacques Lande, Präsident des ICZ. Seit Dezember finden die Schabbat-Feiern wieder statt. Gemeindemitgliedern, die zur Risikogruppe gehören, wird aber weiterhin empfohlen, nicht an den Gottesdiensten teilzunehmen. «Im Moment kommen recht wenige Leute», berichtet Lande. Und aus Sorge angesichts von Infektionen in den eigenen Reihen gilt in der Synagoge ab sofort eine FFP-2-Maskentragpflicht. Im Gegensatz zur einfachen Hygienemaske, bietet die FFP-2 Maske – zumindest teilweise – auch dem Träger Schutz vor Ansteckung.
Kurze Freitagsgebete
«Wir sind sehr dankbar, dass wir uns zum Freitagsgebet versammeln dürfen», sagt Mustafa Memeti, Imam der Muslimischen Gemeinde Bern. Während er regelmässig Vorträge für die Gemeinde auf Youtube stellt, sei es theologisch nicht denkbar, das Freitagsgebet nicht kollektiv und physisch versammelt zu verrichten. Durchaus möglich sei aber, die Gläubigen von ihrer Pflicht zu befreien. Solche Dispense gebe es für viele Fälle, berichtet Memeti. Er hat seiner Gemeinde klar kommuniziert, dass zu Pandemiezeiten niemand in die Moschee kommen muss. «Viele bleiben denn im Moment auch lieber zu Hause».
Statt wie normalerweise am Freitag vier- bis fünfmal insgesamt bis zu 400 Leute zu empfangen, betet der Imam jetzt noch mit maximal 150 Gläubigen in drei Feiern. «Und alle sind nur kurz da», so Memeti. Genaugenommen acht Minuten lang. Sein Vortrag besteht aus ein paar Sätzen, die er nur auf Deutsch spricht, dann folgt das Gebet. Zudem müssen die Gläubigen ihren eigenen Gebetsteppich mitbringen, und die rituelle Waschung, die sonst in der Moschee verrichtet wird, gilt es zuvor zu Hause zu machen. Memeti sagt: «Das Vertrauen des Bundesrates ehrt uns, wir setzen alles daran, sichere Bedingungen zu schaffen.»
Christa Amstutz, reformiert.info
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