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Wissenschaft

Zwischen Schöpfung und Sternenstaub

von Sandra Hohendahl-Tesch/reformiert.info
min
08.05.2025
Von Dinosauriern, Zufällen und göttlicher Fügung: Astrophysik, Theologie und Biologie haben mehr gemeinsam, als es zunächst scheint. Das zeigte ein Podiumsgespräch mit einem Pfarrer, einer Astrophysikerin und einem Zoodirektor.

Glaube, Evolution und kosmische Perspektiven gehören auf den ersten Blick unterschiedlichen Sphären an. Doch wie überraschend vielschichtig die Verbindungen zwischen ihnen sein können, zeigte ein Podiumsgespräch im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Arche 2.0». In der Zürcher Wasserkirche trafen sich am 5. Mai Grossmünsterpfarrer Matthias Rüsch, Astrophysikerin Kathrin Altwegg sowie Zoodirektor und Biologe Severin Dressen. Unter der Moderation von reformiert.-Chefredaktor Felix Reich sprachen sie über den Ursprung und die Zukunft des Lebens, über Verantwortung und darüber, was heute Hoffnung stiften kann.

Die begehbare Arche, die als grosse Kunstinstallation im Raum der Wasserkirche steht, war bis auf den letzten Platz gefüllt.

Schöpfung, Zufall und das grosse Staunen

Kathrin Altwegg, jahrzehntelang in der Astrophysik tätig, erklärte gleich zu Beginn, dass sich Bibel und Wissenschaft nicht ausschliessen, solange die biblischen Texte richtig gelesen würden. So sei doch eigentlich auch der biblische Schöpfungsbericht sehr präzis: «Wie lange dauerte ein Tag, bevor Finsternis und Licht getrennt waren? Wohl Milliarden von Jahren.»

Die Wissenschaft suche nach dem Wie, sagte Altwegg, etwa wie Planeten entstehen. Die Theologie frage hingegen nach dem Warum. «Und das ist sehr viel anspruchsvoller.»

Dass es Leben auf der Erde gibt, sei letztlich «mehrfaches Glück», betonte die Forscherin. Zwar erkenne man Gesetzmässigkeiten, doch vieles bleibe dem Zufall geschuldet. «Wären die Dinosaurier nicht ausgestorben, wären wir heute nicht hier.»

Altwegg beschrieb zudem, wie sie beim Blick in den Sternenhimmel immer wieder ins Staunen gerät:

Wenn ich in den Himmel schaue, fühle ich mich winzig – und gleichzeitig verbunden mit etwas Grösserem.

Matthias Rüsch knüpfte daran an. In seinem theologischen Verständnis bezeichnet Zufall das, was uns im Leben begegnet, ohne dass wir es beeinflussen können. Fügung sei der Versuch, darin etwas Sinnhaftes zu erkennen. «Das Göttliche ist mehr als Energie, ein Hauch von Licht kommt hinzu», sagte er.

Für Severin Dressen wäre ein lenkender, eingreifender Gott ein «schachspielender Gott», und das sei nicht sein Verständnis. «Gott schafft Rahmenbedingungen, in denen sich Leben entfalten kann.»

Überkommene Bilder und neue Deutungen

Als Biologe kennt Dressen die Spannungen zwischen Naturwissenschaft und Religion. Heute aber, so betonte der gläubige Christ, müsse man keinen Gegensatz mehr konstruieren. «Wer die Bibel nicht wörtlich liest, erkennt, dass das eine das andere nicht ausschliesst.» Die Evolution erschöpfe sich nicht in der Anpassungsfähigkeit der Arten an die Umweltbedingungen. Manchmal spiele auch der reine Zufall eine Rolle:

Oft reicht ein abgebrochener Ast, damit sich eine ganze Entwicklung verändert.

Rüsch blickte kritisch auf die kirchliche Geschichte. Die Theologie habe lange verhindert und verurteilt, die Welt neu zu denken. Das Bild eines alten Mannes mit Bart am Himmel sei zwar überholt, aber noch immer wirksam. Für ihn sei Gott ein Schöpfer, der sich in Jesus mit der Welt verbunden habe und durch den Heiligen Geist als Kraft erfahrbar bleibe.

Für Altwegg ist das Göttliche eine Dimension, die sich der menschlichen Erkenntnis entzieht. Gott sei nichts anderes als Energie, aus der das Universum entstanden sei.

Klimakrise und prophetische Stimmen

Angesichts der ökologischen Herausforderungen fragte Felix Reich, ob Naturwissenschaftler heute eine ähnliche Rolle einnehmen wie einst die Propheten, die einst vor dem Untergang warnten und zur Umkehr aufriefen. Tatsächlich deute die Wissenschaft die Gegenwart und mache drängende Entwicklungen sichtbar, sagte Dressen. Er betonte, dass die Menschen, indem sie die Artenvielfalt gefährdeten, «russisches Roulette» spielten: «Es gibt viele Arten, deren Aussterben keine Konsequenzen hat, aber vielleicht trifft es auch ein Insekt, das für das gesamte Ökosystem von zentraler Bedeutung ist.»

Altwegg fügte hinzu: «Das Universum ist nicht nachhaltig – der Wasserstoff, aus dem Sterne ihre Energie gewinnen, wird irgendwann aufgebraucht sein. Die Erde wird wohl weiterexistieren, aber ob auch wir Menschen dann noch da sind, ist offen.»

Dressen erinnerte an fünf grosse Auslöschungsereignisse der Erdgeschichte. Das Leben habe sich immer wieder neu geformt. Die Natur, so sagte er, verfüge über eine enorme Anpassungsfähigkeit.

Eine neue Arche?

Gegen Ende stellte Reich die Frage, ob die Geschichte der Arche Noah heute nicht neu erzählt werden müsste. Der steigende Meeresspiegel treffe jene Menschen am stärksten, die am wenigsten dafür verantwortlich seien und gleichzeitig am wenigsten Aussicht auf Rettung hätten.

Altwegg stellte klar, dass es keine Arche gibt, die für alle Platz biete. Gerade darum sei das gemeinsame Handeln wichtig. Dressen sagte, auf den ersten Blick hätten reiche Gesellschaften tatsächlich mehr Möglichkeiten, mit dem Klimawandel umzugehen, Hungersnöte seien oft weit weg. Allerdings seien Gesellschaften, die noch im Einklang mit der Natur leben, oft sehr resilient, während hoch entwickelte Gesellschaften extrem anfällig seien. «Wir sollten uns deshalb nicht zu sicher fühlen.»

Rüsch erinnerte daran, dass die biblische Sintflutgeschichte nicht nur eine Erzählung von Zerstörung sei, sondern auch von Verheissung. Hoffnung wachse nicht aus der Illusion, verschont zu bleiben, sondern aus der Verantwortung, gemeinsam zu handeln.

Regenbogen und Hoffnung

Auf Reichs Schlussfrage nach dem Regenbogen, dem biblischen Symbol der Hoffnung antworteten die drei mit vorsichtiger Zuversicht. Altwegg sagte: «Hoffnung ist nichts Fassbares, sondern etwas Flüchtiges. Vielleicht ist der Regenbogen die Verheissung, dass nach jedem Untergang wieder etwas Neues entsteht, dass sich nur die Form verändert.» Auch Dressen sprach von der Möglichkeit eines Neuanfangs und davon, dass in der Natur vieles zurückkehrt, wenn man ihr Raum lässt.

Matthias Rüsch ergänzte:

Katastrophen sind nicht nur äusserlich. Auch in uns Menschen tun sich Abgründe auf, aber ebenso Möglichkeiten Hoffnung zeigt sich dort, wo wir handeln – nicht, weil wir wissen, dass es gut kommt, sondern weil wir glauben, dass es Sinn macht.

Besonders versöhne ihn mit dem Menschsein die schöpferische Genialität des Menschen, sagte er, etwa wie sie sich in der Musik zeige.

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