Ruedi Josuran: «Ich habe immer die Antennen draussen»
Witzig und ernsthaft zugleich sprach der Moderator und Autor Ruedi Josuran (67) in der Gellertkirche über sein Leben. Seine Karriere bei Radio und Fernsehen begann mit einer Frage, erzählte er: «Wie kann ich mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Applaus bekommen?» Er habe schon als Kind Ferienzeitungen für die Familie gemacht, sagte der gebürtige Tessiner. Es folgte eine steile Medienkarriere, unter anderem beim «Blick», bei «Radio 24», «Radio SRF 1» und in den letzten 15 Jahren beim «Fenster zum Sonntag» im Schweizer Fernsehen. Er befragte Hunderte von interessanten Gästen zu ihrem Leben und zu ihrem Glauben.
Er liebe seine Arbeit, denn: «Mich interessiert die Begegnung mit Menschen.» Er könne besser zuhören als reden, und er könne besser reden als schreiben. Zu seinen eindrücklichsten Begegnungen zählt Ruedi Josuran unter anderem ein Treffen mit dem Jahrhundertboxer Muhammad Ali und die Arbeit mit dem Radiopionier Roger Schawinski. Auch als Pensionär wolle er etwas mit Menschen machen, sagte Josuran. Was genau, hat er noch nicht verraten. Dass er künftig auf die Arbeit vor der Kamera verzichten müsse, sei für ihn kein Problem: «Ich habe recht gut damit abgeschlossen, dass ich meinen Kopf nicht mehr heraushalten muss.» Übrigens: Seine letzte Sendung im «Fenster zum Sonntag» wird am kommenden 5. und 6. Oktober ausgestrahlt.
«Man hat nur noch Fragen»
«Es gibt keine Vorbereitung», sagte Josuran über die Zeiten, in denen er krank war. Wie man umgeht mit einer Depression, mit einem Herzinfarkt oder mit Nierenkrebs, das könne man nur im Leben lernen. Dafür gebe es keine Methode. Die Depression habe ihn unvorbereitet überfallen. Heute könne er lockerer damit umgehen: «Stimmungsschwankungen gehören zum Leben.» Besonders fies an der Depression sei, dass sie den Willen lahmlege und das Gefühl störe: «Man hat keinen Strom mehr. Der Kontakt zu den Menschen und zu Gott bricht ab. Man hat nur noch Fragen.» Nach dieser Zeit entstand sein Buch «Mittendrin und nicht dabei».
Zum Glauben an Gott kam Ruedi Josuran in jungen Jahren in einer Teestube in Zürich. «Ich habe Gott nicht gesucht, sondern er mich.» Über seinen heutigen Glauben sagte er: «Ich will die Menschen zum Leben mit Gott einladen. Es ist mir nicht so wichtig, ob ich Recht habe oder nicht. Ich habe auch von Atheisten gelernt.» Wenn heute ein Mensch einen Raum betritt, laute die erste Frage oft: Gibt es hier WLAN? Man suche die Verbindung. «Das gilt auch im Glauben: Bin ich mit Gott verbunden? Wenn ich mit Gott verbunden bin, kann er mich auch ansprechen.»
«Kirche muss Relevanz erkämpfen»
Josuran sagte, er habe schon viele Kirchen gesehen, und diese lägen häufig etwas abseits oder gar auf einem Hügel. «Dass die Gellertkirche mitten im Quartier gebaut worden ist, beeindruckt mich.» Eine Frau habe einmal zu ihm gesagt, der «Tatort»-Krimi am Sonntagabend habe mehr mit ihrem Leben zu tun als das, was sie am Morgen im Gottesdienst gehört habe. Wenn die Kirche relevant sein wolle, sagte Josuran, müsse sie diese Relevanz an jedem Tag erkämpfen im Umgang miteinander. «Ich wünsche der Gellertkirche zum Geburtstag, dass sie das Ohr bei den Leuten hat und dass sie den Menschen dient und sie wertschätzt.»
Der Auftritt von Ruedi Josuran war Teil der Festwoche «60 Jahre Gellertkirche». Das Gespräch führte Reto Gloor, Sozialdiakon der Gellertkirche. Die musikalische Umrahmung besorgte der Pianist Reto Reichenbach. Die Festwoche ging am Sonntag, 8. September 2024 mit einem Festgottesdienst zu Ende. www.gellertkirche.ch
Ruedi Josuran: «Ich habe immer die Antennen draussen»