«Weil Gott keinen Unterschied macht»
«Inklusion ist für mich eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Oder sollte es zumindest sein», sagt Karin Schmitz ohne Zögern.
Die Verantwortliche der ökumenischen Seelsorgestelle für Menschen mit Behinderung, Seelsam, im Kanton Zug, finanziert durch die beiden Zuger Landeskirchen, setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Menschen mit Beeinträchtigungen in kirchlichen Angeboten selbstverständlich mitgedacht und miteinbezogen werden. «Für mich gehören einfach alle dazu. Gott macht keinen Unterschied – warum sollten wir es tun?»
Premiere im reformierten Zug
Im Herbst wird erstmals in einer reformierten Kirchgemeinde im Kanton Zug ein inklusiver Gottesdienst gefeiert. Er findet am Sonntag, 28. September, in Rotkreuz statt. «Die Idee dazu ist aus den Inklusionstagen letztes Jahr entstanden, die anlässlich des zehnten Jahrestages der UNO-Behindertenrechtskonvention in der Schweiz stattfanden», erzählt Schmitz.
Seither sind zwei solcher Gottesdienste pro Jahr fest in Planung. Für sie ist das ein Zeichen der Öffnung: «Inklusion lebt davon, dass man sich begegnet, dass Barrieren – bauliche wie gedankliche – überwunden werden. Und da sind wir auf einem guten Weg.»
Ein Gottesdienst für alle Sinne
Der Gottesdienst in Rotkreuz soll für alle verständlich und zugänglich sein. «Wir feiern in einfacher Sprache, mit Musik und viel Raum für Begegnung», so Karin Schmitz. Musikalisch prägt ihn das Chorprojekt «Die Bande», in dem zehn Sängerinnen und Sänger mit Beeinträchtigung auftreten. «Es ist jedes Mal berührend, wie sehr ihre Authentizität andere Menschen ansteckt. Die Freude ist spürbar, und sie überträgt sich.»
Karin Schmitz ist Verantwortliche der ökumenischen Seelsorgestelle für Menschen mit Behinderung, «seelsam» im Kanton Zug. | Foto: seelsam.ch
Doch warum braucht es überhaupt spezielle Inklusionsgottesdienste, wenn Inklusion eigentlich selbstverständlich sein sollte? «Das ist leider die Realität», sagt die Leiterin von Seelsam. Die Gemeinden seien noch lange nicht so weit, dass man nicht mehr darüber nachdenken müsste, ob Menschen mit Rollstuhl in die Kirche kommen oder ob jemand mit einer geistigen Beeinträchtigung den Gottesdienst versteht. Viele Kirchen seien baulich nicht barrierefrei, und oft seien es vor allem die Barrieren in den Köpfen der Menschen, die verhinderten, dass alle dazugehören.
Jesus hat die Menschen, die am Rand standen, in die Mitte geholt. Für mich ist das gelebtes Christentum.
Gelebtes Christentum
Ihr Wunsch für die Zukunft ist klar: «Ich hoffe, dass es eines Tages keinen speziellen Inklusionsgottesdienst mehr braucht, weil alle Gottesdienste inklusiv sind. Dass man gar nicht mehr darüber reden muss, sondern es einfach normal ist.»
Für Karin Schmitz ist Inklusion zutiefst biblisch. «Jesus hat die Menschen, die am Rand standen, in die Mitte geholt. Für mich ist das gelebtes Christentum.» Nach den inklusiven Feiern gehe sie jedes Mal mit einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit nach Hause: «Die Menschen kommen so, wie sie sind – ehrlich, ungekünstelt. Und alle gehen mit einem Lächeln. Das ist Kirche, wie ich sie mir wünsche.»
Inklusionsgottesdienst, Sonntag, 28. September, um 10.15 Uhr in der reformierten Kirche Rotkreuz
«Weil Gott keinen Unterschied macht»