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«Wir sind Polizisten, keine Sozialarbeiter»

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18.03.2016
Die Fachstelle «Brückenbauer» der Kantonspolizei Zürich vermittelt zwischen der Polizei und Menschen aus anderen Kulturen und Religionen. Ihr Ziel ist, über den Rechtsstaat zu informieren und Vorurteile abzubauen. Auf beiden Seiten, wie Thomas Gerber und Josef Bachmann von der Fachstelle erzählen.

Herr Gerber, wie entstand die Idee zu einer Fachstelle «Brückenbauer»?

Gerber: Die Bevölkerung im Kanton Zürich hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Zürich wird multikultureller. Immer mehr Menschen mit unterschiedlichem nationalstaatlichen, religiösen und kulturellen Hintergrund leben bei uns. Darauf mussten wir uns im Sinne vorausschauender Polizeiarbeit einstellen.
Bachmann: Die Idee entstand relativ kurzfristig, nachdem 2006 das neue Gesetz zur Integration in Kraft trat. 2007 schrieb die Kantonspolizei die Stellen aus, um das Team zu bilden. Bereits zwei Monate später wurden wir operativ.

Was sind die Kernaktivitäten der Fachstelle?
Gerber: Wir haben zwei Ziele. Zum einen vertreten wir die Kantonspolizei gegenüber Menschen aus anderen Kulturen und Religionen. Und dann vertreten wir diese Menschen auch gegenüber der Polizei. Auch die Polizistinnen und Polizisten haben ein Bedürfnis nach Information. Wir schlagen also die Brücke auch wieder zurück.
Bachmann: Ja, die Idee ist, eine Brücke zu bauen. Wir wollen Vertrauen bilden und Berührungsängste auf beiden Seiten abbauen. Denn natürlich gibt es auch bei Polizistinnen und Polizisten eine Verunsicherung im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen. Daher geben wir auch Lektionen in der Polizeischule.

Was machen Sie konkret?
Bachmann: Wir haben zunächst ein Referat aufgebaut und breit publik gemacht, dass wir in Migrationsvereine und andere Institutionen gehen und dort die Arbeit der Kantonspolizei vorstellen. Mit der «Asylorganisation Zürich» fanden wir einen Partner. Dort halten wir heute noch regelmässig Doppellektionen als Teil des Deutschunterrichts. Dabei informieren wir über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei.
Gerber: Die Grundfrage ist: Was können die Bürgerinnen und Bürger von der Polizei erwarten, und umgekehrt: Was erwartet die Polizei von ihnen?

Diese Leute gehen von sich aus auf Sie zu. Wäre es nicht wichtiger, jene zu erreichen, die den Kontakt zur Polizei eher scheuen?
Bachmann: Das ist eine interessante Frage. Ja, das sind Leute, die den Kontakt zu uns suchen. Wir gehen davon aus, dass viele Ausländerinnen und Ausländer bereit sind, sich zu integrieren. Daher referieren wir auch nie mit erhobenem Zeigefinger. Wir ziehen auch keine Erkundigungen ein, was das für Leute sind, die an unseren Lektionen teilnehmen.

Gibt es typische Konfliktsituationen, in denen Sie das Gefühl haben, da prallen zwei Welten aufeinander?
Gerber: Manchmal kommen wir in unseren Lektionen auf das Thema Gleichberechtigung zu sprechen. Wir versuchen dann zu erklären, was von der Polizei in bestimmten Situationen erwartet werden kann. Etwa dann, wenn eine Polizistin einen Mann kontrollieren muss, der andere Vorstellungen über die Rolle der Frau hat. Dann merkt man schon, dass verschiedene Wertvorstellungen aufeinanderprallen. Es kann aber helfen, solche Konflikte einmal ausserhalb der Situation anzusprechen.

Sprechen Sie auch das Thema Religion an?
Gerber: Wir sind konfessionell neutral unterwegs. Religion ist für uns nur ein Thema, wenn sie missbraucht wird, um Gewalt zu legitimieren. Zum Beispiel bei Konflikten in einer Familie. Dann müssen wir unsern gesetzlichen Auftrag erläutern. Wichtig dabei ist, den Leuten verständlich zu machen, dass unser Handeln immer voraussehbar ist.

Haben die Leute ein falsches Bild von der Polizei?
Bachmann: Von manchen hören wir den Vorwurf, dass wir sie zu oft kontrollieren. Das sind meistens junge Männer. Da hilft es, wenn wir erklären, was die Polizei gesetzlich überhaupt darf, und wie eine Kontrolle im Einzelnen abläuft. Wir geben auch Tipps, wie man sich am besten verhält, damit die Situation nicht aus dem Ruder läuft. Umgekehrt fordern wir auch Verständnis für die Polizistinnen und Polizisten. Stellen Sie sich vor, zwei Polizisten müssen eine Gruppe von fünf kräftigen jungen Männern kontrollieren. Wir versuchen dann zu zeigen, dass in solchen Situationen auch mal die Polizei angespannt sein kann.

Sprechen Sie auch das Thema sexuelle Übergriffe an?
Gerber: Es ist klar, dass bei diesem Thema eine Verunsicherung da ist und wir ein offenes Ohr dafür haben.
Bachmann: Es geht uns vor allem darum, die Werte unserer Gesellschaft zu vermitteln. Wir wollen nicht pauschal gegen gewisse Gruppen einen Verdacht hegen. Ich bringe das immer unter dem Thema Respekt – Respekt gegenüber dem andern Geschlecht, gegenüber Schwächeren oder Angehörigen anderer Religionen. Wenn das Thema sexuelle Übergriffe aber explizit angesprochen wird, beschönigen wir auch nichts. Wir sind Polizisten, keine Sozialarbeiter. Wir müssen klarstellen, was Sache ist, was Gesetz ist.

Kommen wir zur anderen Seite der Brücke: Als Fachstelle haben Sie auch die Aufgabe, die eigenen Mitarbeiter über andere Kulturen und Religionen zu informieren. Werden Ihre Angebote intern genutzt?
Gerber: Ja, das wird als hilfreich empfunden. Im Intranet stellen wir praxisnahe Informationen zur Verfügung. Wenn zum Beispiel jemand aus einer bestimmten Religion stirbt, dann ist es für die Polizistinnen und Polizisten hilfreich, zu wissen, wie sie den Angehörigen begegnen können.
Bachmann: Wir haben auch schon Moscheebesuche für Mitarbeiter organisiert.

Ihr Team besteht aus einem Fachverantwortlichen und 14 nebenamtlichen Brückenbauerinnen und Brückenbauern. Welche Qualifikationen braucht es dafür?
Gerber: Das sind alles erfahrene Polizistinnen und Polizisten. Das Hauptkriterium ist aber das Interesse an dem Job.
Bachmann: Früher sagte man, der Polizeiberuf ist ein Kontaktberuf. Wer den Kontakt mit Menschen scheut, wird nicht Polizist. Zudem ist Kommunikation ist ein zentraler Bestandteil der Grundausbildung.

Interview: Heimito Nollé/ref.ch, 18.3.2016

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

 

 

 

 

Bild: Nollé/ref.ch

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