«Aus Wrackholz wird Hoffnung»
«Unter uns leben Menschen, die wegen Hunger und Krieg übers Mittelmeer geflüchtet sind», sagt Pfarrer Andreas Möri. «Doch wir wissen wenig über sie und können uns kaum vorstellen, welchen Gefahren und Ängsten sie ausgesetzt waren.» Zusammen mit der Organistin Tiziana Fanelli hat Möri das Projekt «Mare Nostrum» fürs Zwinglihaus initiiert. Bei den Veranstaltungen vom 15. Juni sollen für einmal jedoch nicht die traurigen Ereignisse, sondern die lebensbejahenden Aspekte im Zentrum stehen. «Uns ist wichtig, dass die Hoffnung obsiegt. Dies soll mit dem Gottesdienst, dem Benefizkonzert und dem gemeinsamen Nachtessen zum Ausdruck kommen.»
Orchester des Meeres
Angesichts der nicht endenden Tragödie, die das Mittelmeer zu einem grossen Friedhof macht, hat die Fondazione Casa dello Spirito e delle Arti das Projekt «Metamorfosi» entwickelt. «Das Holz der Flüchtlingsboote, die auf Lampedusa gelandet sind und zum Abwracken bestimmt sind, wird in italienische Gefängnisse wie Mailand-Opera und Neapel-Secondigliano transportiert, wo sie zu Musikinstrumenten verwandelt werden», erklärt Andreas Möri. «Diese Instrumente, die vom Orchestra del Mare verwendet werden, bringen Musiker verschiedener Nationalitäten zusammen und führen in den Konzerten die Zuhörenden auf imaginäre Reisen über ein Meer, das verbindet und nicht trennt.»
Paulus und das Mare Nostrum
Seit der Antike verbindet das Mittelmeer eine Vielzahl von Völkern. Als Mare Nostrum gehörte es zum römischen Kaiserreich. Der Apostel Paulus unternahm weite Reisen, um das Evangelium den Menschen bekannt zu machen. Er wollte bis nach Spanien gelangen, wurde dann aber als Gefangener per Schiff nach Rom gebracht. Dabei wurde er aus grösster Seenot gerettet.
Der Projektname «Metamorfosi» ist in mehrfacher Hinsicht Programm: Die Verwandlung des Schiffsplankenholzes zu Musikinstrumenten verändert auch diejenigen, die sie herstellen. Unter Aufsicht von erfahrenen Musikinstrumenten-Baumeistern verarbeiten speziell dafür ausgebildete Häftlinge die Holzstücke zu Geigen, Bratschen, Celli, Kontrabässen, Gitarren und anderen typischen Instrumenten der mediterranen Musiktradition. Selbst profitieren sie von einem regulären Arbeitsvertrag und schaffen sich die Grundlage für ihre spätere soziale und berufliche Wiedereingliederung in Freiheit.
Sting und Papst im Boot
Bis aus einem Stück Holz Musik wird, braucht es viel Sorgfalt, Zeit und Geduld. Doch es lohnt sich. Die erste Geige, gefertigt mit Techniken aus dem 16. Jahrhundert, erfuhr Anfang 2022 die Segnung von Papst Franziskus. Internationale Bekanntheit erlangte das Projekt «Metamorfosi», als der Musiker Sting im Secondigliano-Gefängnis in Neapel mit seinen Begleitmusikerinnen auftrat und auf den aus Flüchtingsbooten gefertigten Holzinstrumenten seinen Song «Fragile» intonierte – zu sehen und zu hören auf YouTube. «Musik kennt keine Grenzen. Das wollen wir zusammen mit Geflüchteten erfahren und uns in der Solidarität stärken lassen», hofft Pfarrer Andreas Möri.
Sonntag, 15. Juni:
10 Uhr, Gottesdienst,
19 Uhr, Benefizkonzert «Mare Nostrum» mit Musikern des Projekts «Metamorfosi»,
20 Uhr, Manger sans frontières. Zwinglihaus, Gundeldingerstrasse 370, Basel.
Weitere Videobotschaften zu «Mare Nostrum»: www.zwinglihaus.ch
«Aus Wrackholz wird Hoffnung»