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Interview

Christoph Herrmann: «Jugendliche sind die Seismografen der Gesellschaft»

von Noemi Harnickell
min
30.05.2025
Nach über fünf Jahren im Amt tritt Christoph Herrmann, Kirchenratspräsident der Evangelisch-reformierten Kirche Baselland, Ende Juni zurück. Im Gespräch blickt er auf seine Amtszeit zurück und erzählt, welche Vision ihn getragen hat.

Ein Apfelbaum braucht ungefähr so lange wie ihre Amtszeit, bevor er zum ersten Mal Früchte trägt – fünf Jahre. Welche Früchte können Sie nach Ihrer Zeit im Kirchenrat nun ernten?

Ich hatte bei meinem Amtsantritt eine Agenda. Dazu gehörte, das diakonische Engagement zu verstärken. Ich bin daher sehr stolz auf die Diakoniestelle, die wir letztes Jahr geschaffen haben. Vor zwei Jahren lancierten wir ausserdem das Projekt «Seelsorge im Alter» sowie die Koordinationsstelle «Flucht und Ankommen», eine Kooperation mit Heks. Damit haben wir Akzente gesetzt, die auch von aussen wahrgenommen werden. Dazu kommt die Totalrevision der kirchlichen Ordnungen, die eine zeitgemässe Form des Kircheseins ermöglicht.

Helfen diese Akzente dem angeschlagenen Image der Kirche?

Ich nehme eine Wertschätzung für das, was wir als Kirche machen, besonders in der politischen Landschaft verstärkt wahr. Die Projekte, die ich genannt habe, beweisen: Die Mittel der Kantonalkirche finanzieren soziale Initiativen. Wir füllen Lücken, wo Handlungsbedarf besteht.

Dennoch steht die Kirche vor der Herausforderung schrumpfender Mitgliederzahlen.

Dass sich Leute aktiv aus Institutionen verabschieden, ist meines Erachtens ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die Abwendung von der Kirche wird durch negative Berichterstattung in den Medien beschleunigt. Alles, was wir als Kirchenvertreter tun können, ist, jeden Tag gute Arbeit zu leisten.

Was meinen Sie damit?

Wir müssen mit den Menschen unterwegs sein. Wir müssen mit ihnen gemeinsam Antworten suchen auf Fragen, die sich im Leben stellen: Wo komme ich her? Wofür bin ich da? Und wir müssen mit ihnen gemeinsam aushalten, dass es auf manche Fragen keine Antworten gibt. In der Kirche haben wir unglaubliche Möglichkeiten, uns mit diesen Themen zu beschäftigen, mit Menschen zusammen Antworten auszuprobieren.

Dieser Möglichkeitsraum wird durch die freiwillige Mitarbeit zahlreicher Menschen geschaffen. Ist diese zu finden, eine weitere Herausforderung?

Es ist tatsächlich schwierig, Leute zu finden, die sich ehrenamtlich engagieren. Ich glaube, viele scheuen vor der Verantwortung eines Amts in der Kirchenpflege zurück, um nur ein Beispiel zu nennen. Aber sie brauchen keine Angst zu haben, sie kriegen ganz viel Unterstützung dabei. Und: Es ist eine schöne und bereichernde Aufgabe. Es ist diesen Menschen zu verdanken, dass wir so grossartige Möglichkeiten haben, für die Leute da zu sein. Das ist, was mich immer geleitet hat.

Bei allen Herausforderungen: Gibt es auch Highlights aus Ihrer Amtszeit?

Ein Highlight war für mich die Gründung des Jugendrats 2023, der kurz nach einer Fokussynode zum Thema «Jugend und Kirche» zustande kam. Ich sehe ihn als ganz feines Pflänzchen, das wachsen darf. Jugendliche sind für mich die Seismografen der Gesellschaft. Sie erkennen Wandel und Zeitgeist und signalisieren dies auch. Als Kirchenverantwortlicher mit ihnen im Gespräch sein zu dürfen, ist ein Riesengeschenk!

Was braucht es, um das Amt des Kirchenratspräsidenten ausüben zu können?

Es braucht eine tiefe Verwurzelung im Glauben. Wir haben als Kirche eine wunderbare Botschaft, die am Anfang unserer Kirchenordnung steht: «Es gibt kein anderes Fundament als das, welches gelegt worden ist von Jesus Christus.» Jesus ist das Irdische, die Frage: Wie gehen wir miteinander um? Und Christus ist das Mysterium, das uns über das Irdische hinausträgt; das Unverfügbare, das uns einfach geschenkt ist. Diese zwei Ebenen machen für mich das Leben aus.

 

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