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Workshop Grenzverletzungen

Ist Nachpfeifen ein Kompliment?

von Tilmann Zuber
min
24.04.2025
Seit Jahren erschüttern Missbrauchsfälle die Kirchen. Die Kirchgemeinde Olten reagierte mit einem Workshop. Im Kurs ging es nicht nur um Grenzverletzungen, sondern auch um die eigene Haltung zur Sexualität.

Wie verhindern wir Grenzverletzungen? Wie reagieren wir auf sexuelle Übergriffe? Wie schaffen wir sichere RĂ€ume? Diese Fragen standen im Mittelpunkt eines halbtĂ€gigen Workshops, den die Kirchgemeinde Olten mit der Fachstelle fĂŒr SexualpĂ€dagogik «Weisses Kreuz» veranstaltete. Der Kurs richtete sich an Mitarbeitende, Freiwillige und Leitende der Kirchgemeinde. Das Interesse war gross: Rund 30 Personen, in der Mehrheit Frauen, versammelten sich an diesem Samstagmorgen in der Pauluskirche.

Ziel war es, das Bewusstsein fĂŒr sexuelle Grenzverletzungen und Missbrauch zu schĂ€rfen, PrĂ€ventionsstrategien kennenzulernen und den sicheren Umgang mit VerdachtsfĂ€llen zu ĂŒben. MissbrauchsfĂ€lle in Kirchen haben in den letzten Jahren Schlagzeilen gemacht. Studien zeigten die ungeheure Zahl der VorfĂ€lle, die vor allem in der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland geschehen sind. Umso wichtiger sei es, das Thema nicht zu verdrĂ€ngen, sondern aktiv anzugehen, sagt Beat Bachmann.

Bachmann, seit drei Jahren diakonischer Mitarbeiter der Kirchgemeinde Olten, initiierte die Veranstaltung, weil der Umgang mit Grenzverletzungen bisher kaum thematisiert wurde. Er betont die Bedeutung, junge und erfahrene Mitarbeitende zu sensibilisieren und so zur PrĂ€vention beizutragen. Grenzverletzungen kĂ€men im Alltag hĂ€ufig vor, sagt Bachmann, ohne dass es zu Missbrauch und Verhaftungen kommen mĂŒsse. «Die Kirche kann hier nicht genug tun. Kirchliche RĂ€ume mĂŒssen SchutzrĂ€ume sein.»

Umgang mit der eigenen SexualitÀt

Im ersten Block beleuchtete Workshopleiter Matthias Bischofberger den Umgang mit der eigenen SexualitÀt. Jeder bringe seine eigenen PrÀgungen mit, sei es durch Kindheit, Erziehung, Umfeld oder Glauben. «Jeder hat seinen eigenen Rucksack, der den Umgang mit der SexualitÀt und Grenzverletzungen beeinflusst.» In einem Spiel beantworteten die Teilnehmenden Fragen wie: Ist Petting Sex, ist Nachpfeifen ein Kompliment, oder ist nur Sex in der Ehe befriedigend? Die Antworten zeigten die Vielfalt der Auffassungen. Bischofberger stellte klar, dass Gott beim Sex kein Spielverderber sein will: «Er will, dass wir unsere SexualitÀt gut erleben.»

Matthias Bischofberger thematisierte dann die negativen Seiten der SexualitĂ€t: Pornografie, Missbrauch, sexuelle Handlungen mit Kindern, Vergewaltigung oder Ausbeutung durch Prostitution, Loverboy-Masche oder Cyberlove. Oft gehe es um Macht, um die Opfer zu erniedrigen und auszunutzen. TĂ€ter gehen gezielt vor, isolieren die Opfer und zwingen sie zur Geheimhaltung. Fallbeispiele halfen, konkrete Situationen zu diskutieren und angemessenes Handeln zu ĂŒberlegen.

Wie reagieren, wenn ein 18-JĂ€hriger im Lager mit einer 15-JĂ€hrigen knutscht, wenn Jugendliche pornografische Bilder auf Handys zeigen oder wenn Kinder beim Doktorspielen erwischt werden? Schon kleine Grenzverletzungen können zu grösseren Übergriffen fĂŒhren. Jugendarbeiter Andi Wurzer appellierte, aufmerksam und sensibel zu sein und entsprechend einzugreifen. «Dabei soll man den gesunden Menschenverstand einschalten. Denn es gilt zunĂ€chst auch die Unschuldsvermutung.»

Wachsamkeit gefordert

Die Teilnehmenden zeigten sich nach dem Kurs dankbar und nachdenklich. Der Kurs habe ihnen Sicherheit gegeben, wie sie im Notfall reagieren könnten, meinte eine Freiwillige. Andi Wurzer stimmt dem zu: «Wir arbeiten mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen und tragen deshalb eine besondere Verantwortung, unsere Mitarbeitenden und Freiwilligen fĂŒr dieses Thema zu sensibilisieren.» Missbrauch sei jedoch kein Thema, das nur die Kirche betreffe. «Er passiert, wenn Menschen miteinander unterwegs sind und ein MachtgefĂ€lle besteht.» Das könne in der Schule, in Vereinen, in Familien, beim Sport und eben auch in der Kirche geschehen. Umso wichtiger sei es, wachsam zu sein.

 

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