Zukunftstag: Schaffhauser Kirche denkt neu und hört auf die Basis
Am 17. Mai hatte die Schaffhauser Landeskirche zum Zukunftstag in der «La Residence» in Herblingen eingeladen. Ziel war es, in verschiedenen Formaten über die Kirche für morgen zu diskutieren. Eine grosse Anzahl an Teilnehmern war der Einladung gefolgt, Synodale, Kirchenmitarbeiter, Behörden- und Kirchenmitglieder sowie der gesamte Kirchenrat und die Beratenden der Landeskirche. Die Stimmung unter den 59 Teilnehmenden war gelöst, viel Fröhlichkeit im Raum, ebenso die Bereitschaft, sich auf ein vielfältiges, intensives Programm an diesem Tag einzulassen.
Den geistlichen Auftakt und (das Ende) setzte Kirchenratspräsident Wolfram Kötter mit Mätthäus 28: «Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters.» Kirchenrätin Cornelia Busenhart, Organisatorin des Zukunftstags, führte souverän durch das Programm, während die Youth Church Band aus der Kirchgemeinde Diessenhofen für einen musikalischen Höhepunkt sorgte.

Durch den Tag führte Kirchenratspräsidentin Cornelia Busenhart. | Foto: Jürg Fausch
Mut zur Veränderung
«Es braucht Mut zur Neugestaltung, Mut zu Veränderungen und zu Paradigmenwechseln», sagt Martin Büscher in seinem Referat. Er war Professor für Wirtschafts- und Unternehmensethik mit theologischer Leidenschaft und ist Mitinhaber der Agentur «Werte & Sinn» in Steinfurt/Deutschland. In den vergangenen Wochen hat er die Ergebnisse der Resonanzforen ausgewertet, die kürzlich zur Strukturreform «Kirche für morgen 2.0» in Schaffhausen stattgefunden hatten. 45 Minuten lang ging er in einem kurzweiligen und kompakten Vortrag darauf ein, welche Chancen und auch Herausforderungen die geplante Strukturreform mit sich ziehen wird.
Dass der Prozess angestossen werden musste, stand für ihn ausser Diskussion. «Personalengpässe und rückläufige Finanzen sind schon heute deutlich sichtbar.» Das Konzept des «Mischpults» (alle fünf Berufsgruppen sollen ihre Stärken als gleichwertige Partner in multiprofessionellen Teams einbringen) ist für ihn stellvertretend für eine Neuorientierung und Öffnung von Kirche. «Die relevanten Fachkompetenzen sollen wahrgenommen und aufeinander bezogen werden. Eigentlich waren bislang schon viele Kompetenzen in der Kirche vertreten. Man hat sie nur nicht gesehen. Neu sollen Menschen dort eingesetzt werden, wo sie Stärken haben.»
So ein Prozess bringe natürlich auch Herausforderungen mit sich. Das Zusammenspiel mehrerer Berufsgruppen sei eine Herausforderung. Und das Modell kratze am Selbstverständnis der Pfarrperson, Ängste würden bestehen, der Pfarrberuf könnte demontiert werden. «Dabei ist eine Wahl in ein Pfarramt eine Ehre und will verantwortungsbewusst wahrgenommen werden.»

Kirchenratspräsident Wolfram Kötter vor der «Wandzeitung». | Foto: Jürg Fausch
Fruchtbare Diskussion
Im Anschluss gab es Diskussionen in Dreiergruppen. Diskutiert wurde über die Fragen: Warum fühle ich mich in meiner Kirche wohl? Wie kommt Kirche in meinem sozialen Kontext vor? Was könnte mein Beitrag für die Zukunft der Kirche sein?
«Die Diskussionen in den Dreiergruppen waren sehr fruchtbar», sagt Babeth Waldburger, Synodale aus Merishausen-Bargen. «Gespräche in grösseren Gruppen habe ich häufig als frustrierend erlebt. In der Konstellation am Zukunftstag konnte ich mir Gesprächspartnerinnen aus Gemeinden auswählen, die ich bislang nicht kannte. Das hat meinen Blick in unsere Kirchenlandschaft geweitet und mich zu neuen Überlegungen angeregt.»
Was heisst Glauben leben heute?
Im Anschluss ging es auf den «Stationenweg». Bei einem Spaziergang im Grünen, der rund 25 Minuten dauerte, fanden die Teilnehmer sechs Orientierungslaufposten. Dort lagen folgende Fragen bereit, beantwortet zu werden: Was heisst Glauben leben heute? Wofür sollen wir als Kirche heute stehen? Was sind heute unsere zentralen Werte? Wie kann ich die Kompetenzen im Mischpult besser kennenlernen, nutzen und würdigen? Mit wem sollen wir in Zukunft mehr ins Gespräch kommen? Man stelle sich vor, alle Herausforderungen seien auf einmal gelöst und Träume hätten sich erfüllt. Wie würde unsere Kirche dann aussehen?
Wieder zurück, hielten die Gruppen die Ergebnisse auf 15 Flipcharts fest. Diese wurden im Anschluss als riesige Wandzeitung aufgehängt. Ein Ergebnis, das sich sehen lassen konnte. «Der Inhalt des Referats und dieser Wandzeitung werden in Broschüren festgehalten und an die Kirchgemeinden verteilt. Es braucht eine Fortsetzung dieser Diskussion in den Kirchgemeinden», sagt Cornelia Busenhart. Ebenso sollen die Ergebnisse in die künftigen Strategieprozesse der Landeskirche miteinbezogen werden. Am Schluss wies Cornelia Busenhart auf das Beraterangebot hin. Vier Berater stehen für Workshops für Kirchgemeinden zur Verfügung, um deren Profil zu schärfen. Neun Kirchgemeinden haben bislang dieses Angebot genutzt.
Es hat mich beeindruckt, wie sich der Kirchenrat der schwierigen Situation mit dem Pfarrstellenmangel ohne Scheuklappen stellt. Unter grossem Einbezug der Kirchgemeinden werden neue Ideen angedacht und mit einer breiten Öffentlichkeit diskutiert.
«Das Versprechen, dass der Kirchenentwicklungsprozess von der Basis nach oben getragen wird und nicht umgekehrt, wurde an diesem Tag eingelöst», sagt Babeth Waldburger. «Die Teilnehmer wurden mit ihren Visionen in den aktuellen Strukturveränderungsprozess einbezogen, ihre Ideen werden weiterverarbeitet.» Auch die Organisatoren sind zufrieden. «Die Teilnehmer sind mit einer Ernsthaftigkeit und Intensität in einen Dialog getreten, der mich erfüllt und tief beeindruckt hat», sagt Cornelia Busenhart.
«Die Anregungen und Ideen des Zukunftstags werden in das Konzept ‹Kirche von morgen 2.0› einfliessen», bestätigt Kirchenrat Wolfram Kötter. An der Wintersynode im November wird darüber entschieden, ob die Strukturreform «Kirche von morgen» weiterverfolgt oder fallen gelassen wird.
Zukunftstag: Schaffhauser Kirche denkt neu und hört auf die Basis