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Vier Abschiede aus dem Kirchenrat

«Die Kirche strahlt in die Gesellschaft hinein»

von Testimonials, aufgezeichnet von Noemi Harnickell
min
26.06.2025
Im Juni ging die Amtsperiode von drei langjährigen Kirchenrätinnen und -räten und des Kirchen­ratspräsidenten zu Ende. Was konnten Cornelia Hof, Matthias Plattner, Sandra Bätscher und Christoph Herrmann über Jahre bewirken?

 

Christoph Herrmann, Departement Präsidiales und Aussenbeziehungen:

«Kirche muss integrierend wirken»

Ich war schon von 2007 bis 2013 im Kirchenrat und bin nun seit über fünf Jahren Kirchenratspräsident. Im Pfarramt bin ich sogar noch länger, nämlich schon seit über 35 Jahren! In all der Zeit war ich von der Idee Kirche mehr als überzeugt , denn in der Kirche haben wir unglaubliche Möglichkeiten, um für die Menschen da zu sein und Antworten auf Sinn­fragen zu suchen.

Ein Highlight meiner Amtszeit war für mich die Fokussynode von 2023, als eine junge Frau auftrat und sagte, Jugendliche wollten sich in die Kirche einbringen. Das ging nur mit Unterstützung von unserer Seite, also schlug ich vor, einen Jugendrat zu gründen. Die Kirche ist ständig auf der Suche nach jungen Menschen, und plötzlich stand da eine ganze Gruppe und wollte sich ganz von sich aus engagieren! Es ist ein Riesengeschenk, als Kirchenverantwortlicher mit diesen jungen Menschen im Gespräch sein zu dürfen.

Die kirchliche Sozialisierung wird von vielen Eltern nicht mehr geleistet. Dabei stehen Jugendliche oft vor grossen Fragen, auf die es fast keine Antworten gibt. Sie brauchen einen Raum, in dem sie mit ihren Fragen ernst genommen werden. Den können zum Beispiel die Gefässe des Religionsunterrichts bieten.

Die Kirche muss integrierend wirken. Sie muss Feste feiern und Menschen zusammenbringen. Was mir in Zukunft fehlen wird, ist die Möglichkeit, zu gestalten. Das interdisziplinäre Zusammenarbeiten, um zu entdecken, was alles möglich ist! Als Kirche haben wir einen grossen Gestaltungswillen.

 

Cornelia Hof, Departement Diakonie und Spezialseelsorge:

«Es braucht uns als Kirche»

«Die Kirche ist kein Selbstzweck.» Dieses Zitat von Dietrich Bonhoeffer hat mich in meinen zwölf Jahren als Kirchenrätin stets begleitet. Dahinter steht für mich die Idee, dass wir den Menschen dienen und sie unterstützen. Deswegen müssen wir uns auch immer wieder fragen: Wo sind die Brennpunkte?

Ein gelungenes Projekt ist «Spiritualität und Seelsorge im Alter», das im Herbst 2024 von
der Synode bewilligt wurde. In kaum einem anderen Kanton gibt es so viele Menschen über 80 wie in Baselland – die Zahl wird sich in den nächsten 20 Jahren noch verdoppeln. Viele von ihnen sind von Einsamkeit betroffen. Des­wegen ist es wichtig, dass Seelsorge und spirituelle Begleitung nicht nur in Alters- und Pflegeheimen angeboten werden, sondern auch bei den Menschen zu Hause. Ausserdem richtet sich dieses Angebot nicht nur an Kirchenmitglieder, sondern an alle.

Das diakonische Handeln gehört zu unseren kirchlichen Kernaufgaben. Die Kirche sollte Raum schaffen für sogenannte Caring Communities, also für die sorgenden Gemeinschaften, und zwar langfristig. Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Dienst. Solche sorgenden Gemeinschaften entstehen nicht von alleine, man muss sie schaffen. Dafür braucht es Menschen, die sich engagieren.

Auch wenn die Kirche vor vielen Herausforderungen steht, bin ich zuversichtlich, dass sie sich in Zukunft zu einer Beteiligungskirche entwickeln kann. Ich habe in den vergangenen zwölf Jahren nämlich mit sehr vielen tollen Menschen zusammengearbeitet: Durch ihr Wirken strahlt die Kirche in die Gesellschaft hinein.

 

Matthias Plattner, Departement Gemeindeentwicklung und Erwachsenenbildung:

«In der Kirche fliesst mein Herzblut»

Die Kirche befindet sich in einer Übergangsphase, ihre öffentliche Wertschätzung schwindet. Was in unserer heutigen schnelllebigen und multikulturellen Welt bleibt, ist die Frage nach einem Anker, nach einem spirituellen Fundament, das uns miteinander verbindet. Unser Evangelium von Jesus ist ein solches, grossartig, leider wenig gefragt in Europa.

Wir werden uns von einer Pfarrkirche hin zu einer Beteiligungs- und vor allem Begeisterungskirche bewegen. Die wird weniger professionell und mehr ehrenamtlich geführt, so wie das vor allem auf anderen Kontinenten üblich ist. Einem geistlichen Kirchenleben im 21. Jahrhundert geht es bestimmt besser, wenn keine schwerfällige Institution mehr dahintersteht.

Ich schaue mit grosser Genugtuung und Dankbarkeit auf die vergangenen zwölf Jahre zurück, in denen ich im Kirchenrat wirken durfte. In meiner letzten Amtsperiode habe ich für die Ausbildung der Laienpredigerinnen und -prediger gekämpft, die nun in der neuen Kirchenordnung fest verankert ist. Damit schliesst sich für mich ein Kreis, denn mein erstes Projekt vor zwölf Jahren war OekModula, eine professionalisierte ökumenisch-modulare Ausbildung für Religionslehrpersonen.

Kirche bedeutet für mich Freude am Miteinander. Das war mir stets ein Anliegen: «zämestoh und zämeschaffe»! Darin liegt meine Überzeugung, hier das Evangelium weitertragen zu können. Die Gemeinschaft mit den Kolleginnen und Kollegen wird mir fehlen. Vermissen werde ich auch, dass ich nicht mehr so gefragt sein werde wie bisher. Für mich ist es Teil eines wichtigen Loslassprozesses. Zwölf Jahre sind genug. Sesselkleben ist mir zuwider.

 

Sandra Bätscher, Departement Finanzen und Wirtschaft:

«Kirche wirkt positiv in die Gesellschaft hinein»

Mein Aufgabengebiet in den letzten vier Jahren war die Erarbeitung der neuen Finanzordnung. Wir haben damit eine Grundlage geschaffen für zukünftige Projekte . So konnten schon Gelder gesprochen werden für das Projekt «Spiritualität und Seelsorge im Alter» sowie die neue Diakoniestelle, die wir letztes Jahr geschaffen haben.

Die Kirche ist eine Organisation, in der ich die Möglichkeit habe, positiv in die Gesellschaft hineinzuwirken. Ich fand es über die acht Jahre im Kirchenrat immer wieder schön, dass man die Möglichkeit hat, Sachen zu verändern. Das Gefühl, etwas zu bewegen, ist sehr sinnstiftend.

Die Kirche ist für mich wie ein Gewissen, das immer wieder auf Schwachpunkte und soziale Ungerechtigkeiten aufmerksam macht. Auch eine politische Funktion muss sie wahrnehmen, indem sie eine Plattform für Diskussionen bietet. Ich habe oft den Eindruck, alle wollen reden, und niemand will zuhören. Die Kirche muss Räume schaffen, in denen Standpunkte diskutiert werden kann.

Der neue Kirchenrat steht vor der Aufgabe, bewusst Schwerpunkte zu setzen und diese sichtbar zu machen, damit die Leute sehen, wo wir überall tätig sind. Dazu gehört auch, eine Sprache zu finden, die zeitgenössischer ist und die Menschen wieder mehr anspricht. Die Kirche braucht Menschen, die bereit sind, sich zu engagieren. Dass die Mitgliederzahlen kleiner werden, ist eine Tatsache. Aber die Kirche behält auch mit wenigen Mitgliedern ihre Wichtigkeit, weil es gesamtgesellschaft­liche Fragen sind, denen sie Raum gibt.

 

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